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Wenn er mich findet, bin ich tot

Wenn er mich findet, bin ich tot

Titel: Wenn er mich findet, bin ich tot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Rapp
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»Denkst du es?«
    »Mich dürfen Sie nicht fragen. Ich weiß nicht, wieso mich jemand umbringen will, und trotzdem leide ich unter Verfolgungswahn!« Ich brülle so leise, wie ich kann.
    »Solange die Identität des Täters nicht feststeht, ist es extrem schwierig, das Tatmotiv zu ermitteln«, sagt Preuß. In seiner Stimme schwingt Resignation mit.
    Beck räuspert sich. »Da fällt mir noch was ein. Ich hab Tillys Mutter aus Lappland angerufen. Ich wollte wissen, ob ihr die medizinische Ursache für Tillys Schwächeanfälle bekannt wäre. Frau Krah hat mich mit einem anderen Anrufer verwechselt, der sie nach Tilly ausgefragt hat. Sie war betrunken und hat mich beschimpft, sie hätte mir doch schon erzählt, wo Tilly sei. Das war seltsam, weil die Menschen, die es etwas anging, vonder Maßnahme wussten, Tillys Aufenthaltsort also kannten.«
    Preuß notiert sich die aktuelle Nummer von Kathrin Krah. Paolo, Kolja und Beck beantworten noch ein paar Fragen, dann werden wir entlassen.
    Als wir den Linoleumflur entlangquietschen, bin ich erleichtert, dass es vorbei ist. Und ich bin froh, dass die Polizei, sollten sie die Anruferliste der Alten überprüfen, möglicherweise auf die Gesamtdeutsche Security , GDS, stößt. Vielleicht finden sie so heraus, wie Sandras Mörder heißt. Oder sie stoßen möglicherweise über die GDS auf eine Verbindung zur Staatsanwaltschaft.
    Vielleicht machen sie aber auch gar nichts. Würde mich auch nicht wundern.

    Goldene Schrift auf grauem Kreuz. Davor unsere Tulpen, Osterglocken, Goldregen, Hyazinthen. Viel zu bunt, viel zu dicht gedrängt stehen unsere Sträuße auf Sandras kleinem Urnengrab. Mir schlägt das Herz bis zum Hals.Weiße Kieselsteine zwischen den Grabquadraten. Ich suche rechts und links nach Nadis Namen, finde ihn nicht und fange an zu schreien. Paolo hält mich fest und drückt meinen Kopf gegen seine Brust.
    »Sandras Oma hat innerhalb eines Vierteljahrs ihre Tochter und ihre Enkelin begraben müssen«, schluchze ich. Das ist so untröstlich, so endgültig, und das hier so eine riesige Friedhofs-Anlage. »Ich warte am Auto auf euch«, sag ich und mache mich davon.

18
Was war davor?
    Sandra ist tot. Tilly Krah ist tot. Ich quäle mich durch drei gemeinsame Abendessen, obwohl der Chef, Paolo und Kolja so tun, als ob sie von meiner totalen Verkrampfung nichts mitkriegen würden. Sie erzählen muntere Geschichten, ich tue so, als ob ich zuhören würde. Mehr krieg ich nicht hin. Meine Gedanken drehen sich im Kreis. Ich kann nicht laufen, kaum noch essen, hab keine Kraft, obwohl ich mir irrsinnig Mühe gebe. Nach dem Essen beiße ich in mein Kopfkissen und schreie leise.
    Am achten April sind die Osterferien vorbei, und ich komm morgens nicht mehr aus dem Bett.
    »Schluss jetzt«, sagt Kolja. »Du kannst dir überlegen, was du uns nach der Schule erzählst. In vier Wochen fangen die Prüfungen an. Es ist vorbei, Tilly. Ich mach nicht mehr mit.«
    Er streichelt mir über den Kopf. Ich rutsche tief unter die Decke und weine.
    Kolja ist der Stabilste von uns. Er lernt konstant, vögelt kontinuierlich in der Gegend rum, sein Handy fiept und vibriert ohne Ende. Er kriegt dauernd Besuch, findet es toll beim Chef und hilft ihm in der Werkstatt. Am liebsten arbeitet er mit Stahl. Beim Schnüffeln in seinem Zimmerhabe ich einen perfekten Satz Dietriche, zumindest hab ich es dafür gehalten, gefunden. Auf mich reagieren seine Gäste und/oder Freundinnen kühl, verwirrt und neugierig. Ich dagegen auf sie verkrampft und panisch wie immer.
    Kolja hat mit Paolo zusammen den Rollerführerschein gemacht. Hab was von an die achthundert Euro raunen hören, die sie für einen Klasse-M-Schein zusammenkratzen mussten, für beide Scheine also tausendsechshundert. Irgendwie haben sie’s geschafft. Ich wüsste nicht, dass sie den Chef gefragt hätten, ob er Geld dafür lockermacht. Im Stall stehen zwei gebrauchte Vespas. Paolo knattert durch Lauterstetten, Kolja muss noch bis Ende April warten. Ab drei Monate vor dem Geburtstag darf auch er mit Mädchen auf dem Sozius durch die Gegend düsen. Er zählt die Tage.
    Von Paolo krieg ich nicht viel mit. Er ist verschlossener als Kolja. Ich beobachte ihn in unbeobachteten Momenten. Er tut das Gleiche mit mir.
    Was soll ich ihnen bloß erzählen?
    In meinem Albtraum renne ich auf einem Bahndamm entlang. Ich werde verfolgt, ein Zug kommt mir entgegen, und rechts und links des Bahnsteigs ist der Abgrund.
    Als ich aufwache, dreht sich der Raum um mich. Ich

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