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Wenn er mich findet, bin ich tot

Wenn er mich findet, bin ich tot

Titel: Wenn er mich findet, bin ich tot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Rapp
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auf einer Anhöhe und glotzen von oben drauf, zweitens bist du seither gewachsen und drittens machen wir das zusammen. Wann kapierst du das endlich?« Paolo ist wütend.
    »Zusammen? Wir sind seit neun Tagen hier! Was meinst du denn mit zusammen?«, brülle ich.
    »Die ganze Zeit kommt kein Ton von dir und plötzlich machst du Stress! Was soll das?«
    »Ihr wart ja dauernd so beschäftigt! Ich hab euch nicht mal sagen können, was mir Melanie über das Herrenhaus erzählt hat!«
    »Wer ist Melanie?«
    Er hat nicht mal mitgekriegt, dass ich abends immer in der Küche war. Ich beschränke mich darauf, ihm von Form-Beauty und dem Rechtsstreit mit Goedel zu erzählen.
    »Hast du eine Vorstellung von Goedel? Wie er aussieht? Wie er ist?«
    Ich schüttle den Kopf. Paolo kommt mir fremd vor, wie er seine Verhörfragen raushaut. Das gibt mir den Rest. Ich will nicht vor ihm flennen und hau ab. Er hinterher, kriegt mich aber nicht.
    »Bleib stehen, du dumme Kuh!«, brüllt er.
    Das wirkt. Ich dreh mich um und bin so wütend wie er.
    »So geht das nicht, Tilly! Von mir aus kannst du bis ans Ende deiner Tage abhauen. Vor deiner Vergangenheit und vor dem, was kommt. Vor dir! Vor mir! Entscheide dich jetzt.« Er keucht und er meint es ernst.
    Ich reiß mich zusammen. »Tut mir leid. Es ist ein blöder Reflex, wenn ich …«, mich von dir alleingelassen fühle , will ich nicht sagen, »unter Druck bin.«
    »Was hast du mit dem Arsch von Markus getrieben?«
    »Was?« Ich denk, ich hab mich verhört, und starre ihn an.
    »Vorhin. Am See.«
    »Was soll das heißen – getrieben?«, frag ich scharf.
    »Er tönt rum.«
    »Ja? Was tönt er denn?«
    »Er macht Andeutungen.«
    »Ich nicht! Da gibt’s nämlich nichts anzudeuten!«
    Paolo wirft sich plötzlich auf mich. Ich falle rückwärts ins hohe Gras. Er liegt auf mir. Wir haben Flusshorst nicht im Auge behalten. Vorm Haus quietschen Bremsen. Autotüren schlagen. Ich höre Männerstimmen und keuche: »Haben sie uns gesehen?«
    Paolo stemmt sich auf die Arme. »Sie gehen ins Haus. Wir hauen ab.« Dann sieht er mich an. Sein Blick verdunkelt sich. »Wo ich grad auf dir liege …«, murmelt er. Seine Lippen nähern sich meinen. Und bei der ersten Berührung ist alles anders als bei jedem Kuss, den ich je zuvor bekommen habe. Ich werde eins mit allem. Vielleicht nur für eine Sekunde, aber die dauerte eine Ewigkeit.
    »Komm, wir müssen los«, flüstert er.
    »Ich hatte eine Erkenntnis«, flüstere ich weggetreten.
    »Ich auch.«
    Wir robben bäuchlings zum Fahrrad. Das liegt schon so weit hinter dem Hügel, dass man uns auch von den oberen Stockwerken nicht sehen kann.
    »Du wolltest allein da rein und hast nicht gewusst, dass doch Leute im Haus sind«, motzt Paolo auf dem Rückweg.
    Aber ich hör heraus, dass er es nicht erträgt, wenn ich vor ihm weglaufe.
    »Wir müssen nachts rein. Heute Nacht«, sagt Paolo, als ich auf dem Gepäckträger sitze.

22
Nacht
    Am Abend gibt es einen Film. Paolo und ich sitzen nebeneinander. Danach wird es still und ich krieg null mit von dem, was da im Film passiert.
    Um elf steigen wir aus dem Fenster. Unsre Dreierbude erweist sich nun doch als Vorteil, und ich bin bereit, den Stress meiner einsamen Abende zu vergessen.
    »Soll ich Mountainbikes aus dem Schuppen holen?«, fragt Kolja, für den die Beschaffung kein Problem darstellt.
    »Zu Fuß können wir uns besser verstecken«, gibt Paolo zu bedenken.
    Es ist lau, trocken, ideal für eine Nachtwanderung.
    »Was läuft zwischen dir und Markus?«, fragt Kolja, als wir am Waldrand angelangt sind.
    »Was läuft zwischen dir und Franziska, Helena, Luise …?«
    »Ich hab zuerst gefragt.«
    »Wenn du nicht schneller läufst«, sag ich, »sind wir ewig unterwegs.« Ins Herrenhaus Flusshorst einzubrechen, ist verlockender, als mich von Kolja löchern zu lassen.
    »Also, was habt ihr gemacht? Du warst mindestens fünfzehn Minuten mit ihm verschwunden.«
    »Französisch geübt«, sag ich.
    Paolo schüttelt angewidert den Kopf, Kolja kichert.
    Über eine Stunde brauchen wir bis zur Anhöhe, dann liegt das Herrenhaus in der Senke vor uns. Paolo gibt das Fernglas an Kolja weiter.
    »Ein zentraler Mittelbau, zwei Flügel zur Hofseite«, murmelt Kolja. »Was unterscheidet das da von einem Schloss?«
    »Ist doch schnuppe«, sag ich. »Wir nehmen die Seitentür rechts, zwischen den Büschen.«
    »Du bist hundertprozentig sicher, dass nachts keiner drin ist?«, fragt Kolja.
    »Wie kann ich das sein?«, frag ich

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