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Wenn er mich findet, bin ich tot

Wenn er mich findet, bin ich tot

Titel: Wenn er mich findet, bin ich tot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Rapp
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zugeht, laufe ich normal wie immer, als ob der Teufel hinter mir her wäre. Ich hab Spaß!
    Im Heim angelangt, lockt mich Geklapper direkt in die Küche. Ich helfe beim Abräumen und kriege zum Dank belegte Stullen.
    »Kennen Sie das Herrenhaus Flusshorst?«, frage ich die Küchenhilfe. Sie ist vielleicht dreißig und sieht nett aus.
    »Ja, ich bin aus der Gegend.«
    »Wissen Sie, wer da wohnt?«
    »Niemand, es ist an eine Kette von Schönheitskliniken verkauft worden und steht leer.«
    »Ach, dann ist es eine Baustelle?«
    »Nein, außer Tratsch und juristischen Streitereien passiert da gar nichts. Ich bin übrigens Melanie.«
    »Tilly.« Wir mampfen beide Stullen. Ich überlege, ob ich weiterbohren soll, als mir das Plakat einfällt, an dem ich vorbeigerannt bin. Eine Nackte hinter durchsichtigem Schleier. Darüber in pinkfarbenen Lettern Form-Beauty®.
    Das murmle ich vor mich hin: »Form-Beauty.«
    »Die haben das Anwesen gekauft und behaupten jetzt, dass Goedel, der Verkäufer, in betrügerischer Absicht Baugutachten gefälscht haben soll. Goedel klagt dagegen, dass der Käufer in betrügerischer Absicht Baugutachten gefälscht und Vertragsbruch begangen hat, weil noch kein Geld geflossen ist. Form-Beauty hat im Gegenzug den Vertrag angefochten, weil das Gebäude und das Grundstück im Grundbuch auf den Namen von Alma Goedel, der vermissten Tochter von Victor Goedel, eingetragen war. Wird heftig getratscht über die Sache.«
    »Hört sich so an.«
    »Die Leute sind sauer, weil sie sich in der Klinik einen Job erhofft haben. Ich hab mich auch beworben. Und die Gemeinde hat jede Menge Zugeständnisse gemacht.«
    »Übel.«
    »Spuken soll es im Herrenhaus auch.« Melanie zupft die Deko von der Aufschnittplatte und futtert sie auf. »Schon seitdem die Kleine und ihr Kindermädchen verschwunden sind. Alte Geschichten.«
    Draußen trudeln die ersten Läufer ein. Die vier Athleten stützen sich gegenseitig oder mit den Händen auf den Oberschenkeln auf und schwitzen.
    Mein Stullenessen wird als Provokation empfunden. Meine aufgehaltene Hand seltsamerweise nicht.
    »Haste echt verdient«, keucht einer, der Markus heißt.
    »Seit wann läufst du?«
    »Schon immer.«
    »Hätte ich das vorher gewusst, hätte ich nicht gelacht.« Markus flirtet. »Kommst du ins Fernsehzimmer nach dem Duschen?«
    »Duschen? Ich hab nicht geschwitzt.« Ich grinse. »Was ist das – Fernsehzimmer?«
    »Der FDGB-Erholungsheim-Hightech-Smart-TV-Raum.«
    Die anderen drei überlassen Markus das Feld.
    »Vielleicht.«
    Er lächelt mit seinen nussbraunen Augen. »Musst du deine Bodyguards fragen?«
    »Äh. Nein.«
    Bodyguards, ausgerechnet! Eine Dreiviertelstunde später schlendern Paolo und Kolja daher.
    HOHOHO, HAHAHA …
    Von Schlossmädchen in bauchfreien Laufklamotten umgeben.
    HIHI, HAHA, GACKGACK, GACK …
    Sie verstehen sich prächtig, machen einen Haufen Lärm. Paolo ist völlig absorbiert und reagiert nicht auf mein Zeichen, obwohl er es gesehen hat. Kolja schaut nicht zu mir rüber. Und was mich total irritiert, andauernd fassen die Mädchen Paolo und Kolja an. Und die tatschen an den Mädchen rum: berühren einen Ellenbogen, fassen an Schultern, knuffen, boxen spielerisch.
    Ich könnte kotzen. Alle Bewohner des Erholungsheims glucken im Fernsehzimmer zusammen. Ich nicht. Ich liege auf meinem Etagenbett, falte meinen Hunderteuroschein zusammen und kann Paolo und Kolja nicht mal erzählen, was ich von Melanie weiß.
    Natürlich bin ich eifersüchtig! Total eifersüchtig! Und? Ist doch egal, weshalb man durchdreht! Ich kritzle mein nagelneues Panique-Livre voll, weil Eifersucht sich verdammt panisch anfühlt.
    Wenn Paolo mich verlässt, bin ich verloren.
    Paolo und Kolja sind jede freie Sekunde bei den Mädchen. Wie eine Bombe haben sie bei denen eingeschlagen und die bei ihnen. Während ich mich an unsre Scheißverabredung halte und lerne.
    Montag/lundi. Ich lerne Französisch.
    Dienstag/mardi. J’apprends le français.
    Mittwoch/mercredi. Je suis jalouse.
    Jeudi. Leckt mich. Tous!
    Verbissen büffele ich die französische Sprache und warte darauf, dass wir uns
    ENDLICH
    das Herrenhaus vornehmen!
    Umsonst, die Kerle haben anderes im Sinn.
    »Dir fliegen Sprachen zu, Tilly.« Paolo lobt mich im Vorbeigehen.
    Hahaha, Schwachkopf! Keinem Schwein fliegen Sprachen zu. Man muss sie lernen! Durch seinen krankhaften Ehrgeiz hat er mir den Crashkurs eingebrockt. Man hätte doch erwarten dürfen, dass er nach einer Woche auch mal in sein

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