Wenn es daemmert
Tagen.«
»Oh?«, war alles, was Cedric im Stande war zu sagen. »Und mein Vater war damit einverstanden?«
Doug grinste breit. »Natürlich, er verliert nämlich keinen einzigen Dollar. Oder vielmehr: kein einziges Pfund. Wir zahlen weiter brav unsere Miete wie abgemacht. Und wohnen dafür drüben in Matts Haus. Wenn die Cops es freigegeben haben.«
Cedric starrte Doug ungläubig an. »In Matts Haus?«
»Dein Vater hat gesagt, dass Matt die Miete bis Dezember bezahlt hat, und die wird ja wohl keiner zurückverlangen. Und weil ich ihm gesagt habe, dass es hier im Moment, na ja, ein bisschen dicke Luft gibt, hat er gemeint, das wäre doch eine Superlösung.«
»Mein Vater hat gesagt, ihr könnt dort wohnen?«
Doug spitzte die Lippen. »Eigentlich war das mein Vorschlag. Der Chief Inspector hat doch erwähnt, dass das Haus deinem Vater gehört, und ich fand, dass es so nicht weitergehen kann. Unser Pete hier meinte auch, dass es dir bestimmt lieber ist, wenn du uns los bist. Stimmt’s, Pete?«
»Ähm«, sagte Pete.
»Gut, wenn mein Vater …« Manche Sätze lohnten es nicht, zu Ende gesprochen zu werden. »Dann ist ja alles …« Cedric stand auf und ging zurück in sein Zimmer.
Hätte er nicht in Eton aufgehört, an einen Gott zu glauben, er würde ihm jetzt danken.
15.
Die Aussicht darauf, endlich alleine in dem Haus zu leben, gab Cedric die Energie, die er brauchte, um sich auf seinen Text zu konzentrieren. Drei Monate hatte er Zeit, an einer Kurzgeschichte zu arbeiten, die darüber entscheiden würde, ob er den Kurs erfolgreich abschloss oder nicht. Dass nun Mina Williams die Betreuerin seiner Arbeit war, hatte ihn zunächst verunsichert. Professor Scott hatte aus privaten Gründen den Kurs aufgegeben. Man munkelte, es sei etwas mit seiner Frau. Manche sagten, sie sei krank. Andere behaupteten, sie hätte versucht, sich umzubringen. Scott hatte Cedrics Schreibstil zu schätzen gewusst. Ob Mina Williams dies ebenfalls tat, wusste er nicht.
Die anderen aus seinem Kurs waren begeistert von ihr. Cedric hingegen hatte noch nie etwas von ihr gelesen. Aktuelle Literatur ignorierte er größtenteils. Er zog seine Inspiration vor allem aus den modernen Klassikern: Joyce und Woolfe, aber auch Plath. Mehr noch als alles andere liebte er aber die Kurzgeschichte »The Yellow Wallpaper« von Charlotte Perkins Gilman.
Die anderen belächelten ihn, das wusste er. Sie hielten ihn für wenig kreativ, wenn er seine Vorbilder nannte. Aber das herablassende Lächeln fror stets dann ein, wenn er etwas, das er geschrieben hatte, vorlas.
Er beschloss, etwas mehr über Mina Williams in Erfahrung zu bringen, um ein Gefühl dafür zu bekommen, wer sie war und wie sie schrieb. Also klickte er sein Word-Dokument wieder weg und ging ins Internet. Er googelte ihren Namen, fand die standardisierten Kurzbiographien, die aus dem Pressematerial ihres Verlages stammten, und viele Berichte über die Preise, die sie gewonnen hatte, den Film, der aus einem ihrer Bücher gemacht werden sollte. Sie hatte eine eigene Homepage, die aber vom Verlag gestaltet wurde und wenig Persönliches verriet. Er suchte weiter und erfuhr, dass ihr Name mit Matthew Barnes’ Tod in Verbindung gebracht wurde. Er sah ein grobkörniges Foto von ihr, das sie wie eine verurteilte Verbrecherin aussehen ließ, und las auch die Anspielungen auf ihre gesundheitlichen Probleme im letzten Jahr. Er klickte weiter, und in der Onlineausgabe einer Zeitung seines Vaters wurde man konkreter: Aufenthalt in Schweizer Klinik. Warum sie dort gewesen war, war nicht weiter ausgeführt. Diese Information war entweder aus Platzgründen weggestrichen worden oder lag nicht vor. Oder man dachte, es sei nicht von Interesse. Schweizer Klinik. Das klang nach Drogenentzug, nach Nervenzusammenbruch, nach schwerer leidvoller Krankheit und Rekonvaleszenz, es klang nach Thomas Mann und Lungenleiden und Zauberberg, nach allem, was das Leserherz rührte oder aufregte. Man konnte sich etwas aussuchen.
Cedric fühlte sich ihr gegenüber nun nicht mehr so unzureichend. Sie war nicht so ausgeglichen und gefestigt und sicher, wie sie aussah. Natürlich nicht. Das waren die wenigsten, die schrieben. »Begabung ist vielleicht überhaupt nichts anderes als glücklich sublimierte Wut«, hieß es bei Adorno. Wenn Adorno Recht hatte und wenn Mina Williams wirklich begabt war, dann musste es eine Wut in ihr geben, die irgendwo ihren Ursprung hatte, und vielleicht hatte diese Wut sie in die Schweizer Klinik
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