Wenn es daemmert
sinnlos. Er konnte seinen Vater jetzt schon fragen hören: »Und wer von euch beiden hat angefangen? Wenn ich das richtig verstehe, hast doch du, mein Sohn, deinem Freund eine Tracht Prügel verabreicht?«
Nur, dass Doug nicht sein Freund war und ihn schon seit langem quälte. Mit Pete war es anders, Pete wohnte bereits seit drei Jahren hier. Pete ließ Cedric in Ruhe und schien sich nicht weiter für ihn zu interessieren. Doug war erst im letzten Jahr eingezogen. Anfangs hatten sie sich noch recht gut verstanden. Weil sie sich aus dem Weg gegangen waren – oder vielmehr weil Cedric ihn ignoriert hatte. Das war sein Fehler gewesen. Doug war viel zu versessen darauf, immer und überall im Mittelpunkt zu stehen. Doug hatte Pete sogleich vereinnahmt und ihn wie einen Hund abgerichtet. Wäre Cedric wenigstens ein klein wenig nett zu Doug gewesen, es wäre nie so weit gekommen.
Aber nun war es zu spät. Cedrics Vater war begeistert von Doug. Schließlich studierte er Wirtschaft. Das allein reichte und machte sogar den Makel wett, dass Doug Amerikaner war.
Dabei war es im Grunde egal, was Cedric studierte. Ganz gleich, welchen Abschluss er machte, er würde in die Fußstapfen seines Vaters treten müssen. Was es über das Darney-Imperium zu wissen gab, wusste Cedric schon, bevor er nach Eton geschickt worden war. Sein Vater hatte zu Hause nie über etwas anderes geredet. Damals hatte Cedric es aufregend gefunden. Damals hatte er seinen Vater und dessen Werte bewundert und niemals in Frage gestellt. Damals hatte er genau wie sein Vater werden wollen. Inhaber verschiedener Zeitungs- und Zeitschriftenverlage und kleinerer TV -Produktionsstudios. Sponsor unzähliger Theater- und Opernproduktionen in London. Veranstalter hochkarätiger Wohltätigkeitsveranstaltungen. Ein Sitz im House of Lords. Letzteres war seit der Reform des Oberhauses nicht mehr aktuell, aber vor einigen Jahren noch hatte es Cedric in höchste Aufregung versetzt, als Sohn seines Vaters mitzukommen und die Debatten anzuhören, auch wenn er gar nicht gewusst hatte, worum es ging. Dafür hatte er die Atmosphäre in sich aufgesogen, die Gesichter studiert. Das House of Lords war die größte Spielwiese für seine Fantasie gewesen, und er war viel enttäuschter als sein Vater gewesen, als die Reform kam und die meisten der Lords nach Hause gehen mussten. Sein Vater hatte nicht zu den zweiundneunzig gehört, die bleiben durften.
Das Schönste und Erstrebenswerteste am Leben seines Vaters war damit weggefallen. Andere Teile der Fassade waren schon früher eingestürzt: die Geschichten von der glorreichen Schulzeit in Eton.
»Du lernst wichtige Leute kennen«, hatte sein Vater immer gesagt. »Die meisten deiner Kameraden werden nämlich eines Tages sehr wichtige Leute sein. Mach sie dir zu Freunden, ob du sie magst oder nicht.«
Natürlich, Prinz Harry war in seinem Jahrgang gewesen. Den älteren Prinzen hatte er ebenfalls erlebt. Aber die Prinzen hatten andere Freunde. Cedric gehörte nicht dazu, er verstand es nicht, sich Freunde zu machen. Er war viel zu sehr damit beschäftigt, sich seine Feinde vom Leib zu halten. Von dem Tag an, da er die Schule betrat, hatte er sich Feinde gemacht, ohne zu wissen, wie.
Der Gedanke an seine Schulzeit trieb ihn wieder unter die Dusche, die er diesmal noch heißer als zuvor einstellte. Dann endlich fühlte er sich bereit, zurück in sein Zimmer zu gehen und sich anzuziehen.
Die Kleidung hatte er schnell ausgesucht. Braune Stoffhosen und ein weißes Hemd, dazu passende Socken und Schuhe. Gleich würde er die Reinigungsfirma anrufen.
Er knöpfte gerade sein Hemd zu, als es an seiner Tür klopfte. Bitte nicht.
»Ich komme gleich«, rief er.
»Lass uns rein, oder sollen wir uns unten bei deiner Kotze unterhalten?«, rief Doug durch die geschlossene Tür zurück. Er hatte Recht. Aber er konnte die beiden nicht in sein Zimmer lassen. Mit »uns« konnte er nur sich und Pete meinen.
»In der Küche«, entschied Cedric, und dort fand er seine Mitbewohner zwei Minuten später vor.
Er sah erst jetzt, wie er Dougs Gesicht zugerichtet hatte. Die gebrochene Nase, das blaue Auge, die aufgeplatzte Braue. »Es tut mir leid«, entfuhr es ihm, obwohl er sich bereits entschuldigt hatte.
»Schon gut, Kumpel, ich hatte meine Rache. Hör zu, ich habe mit deinem Vater gesprochen.«
Für Doug hatte er also Zeit. Cedric ließ sich nichts anmerken.
»Wir ziehen aus«, fuhr Doug fort. »Aber nicht sofort, erst in ein paar
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