Wenn es daemmert
Ihrer Mutter.«
»Und wissen Sie was? Ich finde es gar nicht so schlimm. Nur von ihrer Oberweite hätte sie mir ruhig etwas abgeben können.«
Die beiden Frauen lachten. Cedric rutschte auf seiner Stuhlkante noch ein Stück weiter nach vorne. Mina war sicher, er saß gar nicht mehr auf dem Stuhl, sondern schwebte eine Handbreit darüber.
»Also? Was sagen Sie dazu?«, fragte er und klang fast ungeduldig. »Hat sich da jemand im Internet einen schlechten Scherz erlaubt, oder ist es vorstellbar?« Mina und Cedric hatten sich darauf geeinigt, erst einmal nichts von Pepa zu sagen – wegen Cedrics Vater, um dessen Ruf er sehr besorgt schien. Aber er hatte von Natascha Hristova erzählt.
»Ich fürchte, es handelt sich nicht um einen Scherz«, sagte Hepburn. »Zu dumm, dass die Seite aus dem Netz genommen wurde. Ich gehe davon aus, dass Sie Recht haben und die Kinder als Sexsklaven angeboten werden. Der Kunde geht online, sucht sich ein Kind aus. Offiziell wird es als Au-pair vermittelt und als älter ausgegeben, als es ist. Das Kind wird mit falschen Papieren ausgestattet und ins Land geschmuggelt. Der Kunde bezahlt für, sagen wir, ein paar Monate. Solange lebt das Kind bei ihm, gehört quasi ihm und muss machen, was er verlangt. Danach wird es weiterverkauft. In Nordengland wurde erst vor ein paar Monaten ein Fall von Sexsklaverei im großen Stil aufgedeckt. Da waren die Mädchen aber nicht als Au-pairs getarnt, sie hatten gar keine Papiere. Und vor allem waren sie volljährig. Trotzdem weiß ich nicht, was besser ist: Am Tag verschiedene Freier, die danach aber wieder gehen, oder monatelang einem Kerl auf Gedeih und Verderb ausgeliefert sein?« Hepburn zuckte die Schultern. »Wie alt war eigentlich Ihre Pepa?«
Und als Cedric statt einer Antwort nur die Lippen leicht öffnete und sofort wieder schloss, fuhr sie fort: »Sie können mir einfach sagen, dass ich nicht mit Brady darüber reden soll. Ich kann ihn auch nicht leiden.«
Mina nickte Cedric zu. »Ich hab’s Ihnen gesagt.«
Cedric schien immer noch nicht ganz überzeugt. Er fing an, an den Knien seiner Hosen herumzuzupfen. »Wer organisiert so etwas?«
»Meistens die Mafia des Landes, aus dem die Kinder kommen. Sollte einer der Handlanger überführt werden, kommen zwei andere nach, die sein Geschäft übernehmen. Diese Leute schmuggeln nicht nur Kinder, sondern auch alles andere. Von Pelzen und Edelsteinen über Zigaretten, Drogen, Waffen bis hin zu Organen und Erdöl. Alles, was Geld bringt. Sie haben Verbindungen zu Menschen in wichtigen Positionen in den Ländern, in die sie schmuggeln. Jemand von der Einwanderungsbehörde, jemand vom Zoll, jemand von der Polizei, sie schmieren überall, damit hier mal ein Auge zugedrückt wird oder dort Akten verschwinden. Kennen Sie das nicht alles schon aus der Zeitung oder aus dem Fernsehen?«
Mina rieb sich die Nase. »Ja, aber im Fernsehen ist es immer so weit weg. Wenn es einem dann selbst begegnet …«
Isobel Hepburns Blick fixierte Cedric. »Darf ich fragen, warum Ihr Vater ein Au-pair-Mädchen für Sie engagiert hat?«
Cedric öffnete wieder den Mund, ohne etwas zu sagen, und sah ein bisschen aus wie ein Fisch. Mina beschloss, dass es besser war, wenn sie für ihn antwortete.
»Er ist nun mal Personal von Kindesbeinen an gewöhnt, und Sie können sich nicht vorstellen, in welchem Zustand das Haus ohne fremde Hilfe …« Sie verdrehte bedeutungsvoll die Augen. Cedric machte den Mund zu und sah gequält auf den Boden.
Hepburn ging nicht darauf ein. »Sind Sie sicher, dass Sie mir nicht mehr über Pepa sagen wollen?«
Cedric schüttelte den Kopf. »Wie gesagt, ich bin durch Zufall im Web auf diese Seite gestoßen und habe das Foto von dem toten Mädchen aus Leven gesehen …«
Sie glaubte ihm nicht. »Gut. Dann sehe ich mir die Familie, bei der das Mädchen gearbeitet hat, noch einmal an, diesmal allerdings unter anderen Vorzeichen.«
»Was sind das für Leute?«, fragte Mina, aber Hepburn hob abwehrend die Hände.
»Zu gegebener Zeit gebe ich Ihnen diese Informationen gerne, aber nicht jetzt, tut mir leid.«
Mina nickte. »Erzählen Sie uns mehr darüber, wie das mit den illegalen Einwanderern normalerweise abläuft.«
»Für die Menschenschmuggler sind durch die EU -Erweiterung einige Märkte weggefallen. Bürger aus Polen oder Rumänien können ohne Probleme einreisen und brauchen keine gefälschten Papiere mehr oder jemanden, der ihnen die Flucht organisiert. Sie brauchen nur
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