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Wenn es daemmert

Wenn es daemmert

Titel: Wenn es daemmert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zoe Beck
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Recht.« Mina ging beherzt in das Wohnzimmer und sah sich das Wurfgeschoss an. Ein einfaches Gummiband hielt das Papier um den Stein. Sie löste den Gummi und glättete das Blatt.
    »Definitiv nichts, was die Polizei interessieren müsste«, sagte sie.
    »Was steht da?«, fragte Margaret.
    »M: Verschwinde von hier«, las Mina vor. »Was sagt man denn dazu?« Sie sah aus dem zerbrochenen Fenster und dachte an Pittenweem. »Es ist Hexensaison.«

Buch   II
    »You start a question, and it’s like starting a stone. You sit quietly on the top of a hill; and away the stone goes, starting others; and presently some bland old bird (the last you would have thought of) is knocked on the head in his own back garden and the family have to change their name. No, sir, I make it a rule of mine: the more it looks like Queer Street, the less I ask.«
    »Du stellst eine Frage, und es ist, als hättest du einen Stein ins Rollen gebracht. Du sitzt ruhig auf der Spitze des Hügels, und der Stein rollt hinab und reißt andere mit; bald wird irgendein langweiliger, alter Kerl (an den du niemals gedacht hättest) in seinem eigenen Garten am Kopf getroffen, und seine Familie muss ihren Namen ändern. Nein, Sir, ich halte es so: Je mehr eine Sache seltsam erscheint, desto weniger frage ich.«
    Mr Enfield in »The Strange Case of Dr Jekyll and Mr Hyde«

Berlin, Juli 1949
    Sie blutete nicht mehr, seit langer Zeit schon nicht mehr. Sie konnte sich nicht erinnern, wann sie zuletzt geblutet hatte.
    Das ist ganz normal, sagte die Tante immer. Und sie selbst hatte es von den anderen Frauen auch schon oft gehört. Manchmal kommt ein paar Monate nichts, hatten sie gesagt, die Frauen, die in der Küche arbeiteten. Sie wussten es doch. Sie waren doch so viel älter, bestimmt neunzehn oder zwanzig.
    Sie traute sich nicht mitzureden. Sie hatte Angst, sich zu verraten. Die anderen würden sofort merken, dass sie viel jünger war, als sie gesagt hatte.
    Also hörte sie auf das, was die anderen Frauen sich erzählten, und sagte kein Wort, zu niemandem. Aber dann konnte selbst sie nicht mehr ignorieren, dass ihr Bauch immer dicker wurde. Erst hatte sie geglaubt, das Essen bekäme ihr nicht. So lange gehungert und dann mit einem Mal genug zu essen. Dank Schwerstarbeiterkarte. Dank dem Ende der Blockade. Aber selbst, seit sie weniger aß, wuchs ihr Bauch immer weiter. Sie musste die Tante fragen.
    Nicht sofort. Sie würde noch ein wenig warten. Vielleicht blutete sie ja bald wieder.

1.
    Cedric saß kerzengerade in der Mitte des Sofas, während Mina es sich in einem Sessel bequem gemacht hatte. Dass der Junge so lange so gerade sitzen konnte, war bemerkenswert. Sie hatte sich angehört, was er gesagt hatte, aber sie konnte nicht behaupten, dass es sie besonders interessierte. Sie hatte im Moment genug mit sich selbst zu tun. Andererseits: Cedric war ihr Student, sie war wahrscheinlich so etwas wie eine institutionalisierte Vertrauensperson für ihn. Sie kannte ihn kaum, wusste aber, dass er so gut wie keine Freunde hatte. Außerdem klang seine Geschichte wirklich schrecklich. Auch wenn sie ihr komplett paranoid erschien. Vielleicht brauchte er einfach etwas Aufmerksamkeit.
    »Sie glauben also, dass hinter der Agentur, die Ihrem Vater das Au-pair-Mädchen vermittelt hat, in Wirklichkeit ein Menschenhändlerring steckt? Ich muss zugeben, die Sache klingt sehr, sehr beunruhigend. Aber sollten Sie nicht besser mit Ihrem Vater reden?«
    »Er würde mir nicht zuhören«, antwortete Cedric.
    »Und warum kommen Sie damit zu mir? Weil ich so eine gute Zuhörerin bin?«
    »Ich bin ganz offen: Ich weiß nicht, mit wem ich sonst reden soll. Und das ist eine Sache, die ich keinesfalls nur mit mir selbst ausmachen kann.« Er bewahrte Haltung, aber Mina konnte nun sehen, wie erschüttert er in Wirklichkeit war. Cedric Darney, dachte sie, war ein hübscher junger Mann. Er hatte weiche, feminine Züge, war nicht besonders groß und sehr schlank. Er hatte eine helle, fast durchscheinende Haut, hellblaue Augen und rötlich blondes Haar. Sein Gesicht entsprach dem Idealbild der griechischen Spätklassik. Cedric wirkte viel jünger, als er war, was er durch seinen Kleidungsstil – teuer und immer eine Spur förmlicher als nötig – auszugleichen versuchte. Frauen verlieben sich nicht in hübsche Männer, dachte Mina.
    »Außerdem war ich überzeugt, Sie hätten sicherlich ein vergleichbares Interesse an dieser Angelegenheit, da es eine Verbindung mit dem Mord an Matt geben

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