Wenn es daemmert
sich schon etwas ergeben. Wenn nicht in St. Andrews, dann irgendwo anders. Schade, dass Matt nicht mehr lebte. Er war wie ein Magnet für diese Leute gewesen.
Art verabschiedete sich von seinem neuen Freund und verließ die Bar. Gerade als er Jim zum Abschied zunickte, gab dieser ihm ein Zeichen: 411. Art blieb stehen und sah nach. 411, Sir Andrew Gondrum, Mitglied des schottischen Parlaments.
»Verheiratet, drei Kinder«, flüsterte Jim. »Gerade vom Golfplatz zurückgekommen und jetzt kurz auf seinem Zimmer. Will dann aber in die Bar gehen. Ist alleine hier, die ganze Woche.«
»Den schauen wir uns gleich mal näher an, mein Freund«, sagte Art und lächelte. Er nahm sich einen der Hotelprospekte und tat so, als würde er etwas lesen, bis sich die Aufzugtür öffnete. Der Mann, der herauskam, hatte glattes, braun-grau meliertes Haar und einen sauberen Seitenscheitel. Glatt rasiert, sehr gut und sportlich gekleidet, in den Vierzigern. Schlanke Figur, klares, attraktives Gesicht mit einem starken Kinn. Er nickte in Jims Richtung und verschwand in der Bar.
»Jim, mein Freund, der ist perfekt!«, sagte Art leise.
»Meinst du? Ich weiß nicht. Scheint ein ultrakorrekter Typ zu sein«, antwortete Jim zweifelnd.
»Umso besser«, sagte Art. »Er ist nämlich schwul.«
»Der hat drei Kinder!« Jim zweifelte noch immer.
»Nun, wie oft lag ich schon daneben?«
»Nie«, gab Jim zu. »Ich weiß nicht, wie du das machst.«
Art hob gut gelaunt die Schultern. »Eine Gabe, mein Freund, eine Gabe. Ich wette einen Fünfziger, dass er von Orgien mit sechzehnjährigen Jünglingen in Togen träumt, die ihm die Weintrauben auf dem Schwanz servieren?«
»Mit dir wette ich nicht«, sagte Jim.
Als Art zwei Stunden später nach Edinburgh zurückfuhr, konnte er dem tief beeindruckten Jim versichern, dass er die Wette gewonnen hatte.
In seinem Haus in Corstorphine schlug er die Abendzeitung auf, die er an einer Tankstelle gekauft hatte. Suchte und fand einen Bericht über den Mord an Matthew Barnes.
Ein bisschen klein, dachte Art, trotz Titelseite. Und ein bisschen zu wenig über Mina Williams. Wäre doch schade, wenn sie sofort wieder aus den Schlagzeilen verschwände. Das sollte nicht passieren, die Frau hatte mehr Publicity verdient.
Er griff zum Telefon und tippte eine Nummer ein. Es war die Durchwahl zu einem der Schreibtische in der Redaktion der Sun.
3.
Sie waren da.
Mina hatte mit ihnen gerechnet und sich daher schon früh in ihr Büro zurückgezogen. Sie standen auf der Straße vor den Schlossruinen und warteten, rauchten, aßen Sandwichs, tranken Kaffee, Wasser, Cola, Tee, sprachen und lachten miteinander. Wann immer jemand an ihnen vorbei ins Castle House gehen wollte, stürzten sie sich auf ihn und bedrängten ihn mit Fragen.
»Kennen Sie Mina Williams?«
»Wie lange unterrichtet Miss Williams hier schon?«
»Trauen Sie ihr einen Mord zu?«
»Glauben Sie, dass sie ein Verhältnis mit Matthew Barnes hatte?«
Und so weiter.
Mina stand am Erkerfenster ihres Büros im zweiten Stock des Castle House, in dem die School of English untergebracht war. Sie hatte die Vorhänge zugezogen und spähte durch einen engen Spalt hinaus. Vor ihr das Schloss, dahinter die Nordsee. Unter ihr auf der Straße: die Journalisten. Als Prince William noch hier studiert hatte, war es ihnen nicht erlaubt gewesen, in St. Andrews herumzulungern. Wäre er doch noch hier, dachte Mina.
Es klopfte an der Tür, und der Deputy Principal kam zu ihr herein, ohne auf eine Aufforderung zu warten.
»Miss Williams.«
»Professor Leigh, was kann ich für Sie tun?«
Er trat zu ihr ans Fenster und spähte ebenfalls durch den Vorhang. »Sie werden verstehen, dass wir unter diesen Umständen …« Die Journalisten schienen ihn entdeckt zu haben. Er trat schnell einen Schritt zurück. »Ich habe mit Professor Scott telefoniert, er würde es auf sich nehmen, seinen Kurs nun doch noch bis zum Ende des Studienjahres zu begleiten. Natürlich mit Einschränkungen. Die anderen Kollegen werden aushelfen, wo es vonnöten ist.« Er verschränkte die Arme hinter seinem Rücken, starrte auf den Boden und wippte auf seinen Zehen herum. »Es … tut mir leid. Aber Sie sehen ja selbst … Und ich kann nicht verantworten …« Leigh räusperte sich. »Sie verstehen sicher, dass ich an den Ruf unseres Instituts und der gesamten Universität … Ja. Ich denke, wir sind uns einig. Machen wir kein Drama daraus. Das Finanzielle lässt sich sicher regeln. Wir, ähm, ich
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