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Wenn Es Dunkel Wird

Wenn Es Dunkel Wird

Titel: Wenn Es Dunkel Wird Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manuela Martini
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ich wissen.
    Claas nahm Julian das Buch aus der Hand und schlug auf die erste Seite auf.
    »Wow, das hat der alles handschriftlich abgefasst – ein Manuskript im wahrsten Sinne des Wortes. Und natürlich in Englisch, Leute, aber ich übersetze es euch mal rasch.«

12
    Warum hab ich diese Kiste öffnen müssen? Ich bin schuld, dass wir dieses Buch gelesen haben. Ich, allein ich.
    Also im Grunde beschwört dieser Henry Paige in seinem Buch das Recht des Stärkeren. Jeder sollte sich das nehmen, was er will, er soll sich nicht unterkriegen lassen und sich nicht vorschreiben lassen, was er tun und nicht tun darf.
    Das hat er auf alles bezogen, auch auf die Liebe, auf Leidenschaft.
    Wenn jemand versucht, einem das Recht des Stärkeren zu nehmen, dann darf man ihn töten. Ja, solches Zeug stand da drin, die Handschrift mal streng und steil, mal zittrig und winzig. Wahrscheinlich mal im Rausch und mal in der Depression geschrieben.
    Ein Satz ist mir noch wortwörtlich in Erinnerung.
    Wer nicht nach seinem Willen lebt und liebt, soll verdammt sein. Ja, und höret: Wer bei diesem Vollmond nicht nach seinem Willen liebt, soll sterben.
    Claas wusste natürlich wieder mal, woher dieser Paige das haben musste.
    »Aleister Crowley. Der Okkultist! Das Tier!«
    »Hat der nicht Tarot-Karten entworfen?«, glaubte ich mich jetzt zu erinnern.
    »Richtig, Mel«, sagte er gönnerhaft. »Hat er auch, ja.«
    »Jetzt klär uns mal auf, Superbrain!«, forderte Julian ihn auf. Claas versuchte es sich zwar nicht anmerken zu lassen, aber er genoss Auftritte wie diesen.
    »Also, alles weiß ich auch nicht mehr«, er fuhr sich durch die Locken, »aber Aleister Crowley ist kurz nach dem Zweiten Weltkrieg gestorben. Und vorher hat er die Geheimlehre-Szene ganz schön aufgemischt.«
    »Geheimlehre?« Tammy machte große Augen, das Licht der Taschenlampe verwandelte ihr schönes Gesicht für einen kurzen Moment in eine Grimasse.
    »Na ja, die Kabbala zum Beispiel.« Claas sah Tammy an, »diese abgedrehte Zahlenlehre, in der alles in Zahlen umgesetzt und gedeutet wird. Auch mit den Freimaurern hat er sich, glaub ich, angelegt. Die Freimaurer sind Geheimniskrämer, was ihre Rituale angeht. Crowley war ein ziemlicher Anarchist, hat viele dieser Geheimbündler verärgert, wurde ausgeschlossen – und hat dann einfach seinen eigenen Orden gegründet. Hat mit Drogen experimentiert, soweit ich weiß, war ein begnadeter Kletterer – und auch ein ziemlicher Frauenheld. Hat mehrmals geheiratet. Ich glaube, er starb vereinsamt, arm und todkrank.«
    »Wie ein Rockstar«, bemerkte Tammy spöttisch.
    Wir nahmen ein paar Bücher mit hinunter. In jener Nacht hatten wir nur diese eine Taschenlampe und einen Satz Reservebatterien. Den Grund für den Stromausfall hatten wir nicht gefunden.
    Wir saßen im Dunkeln im Wohnzimmer, die Geschwister wie immer nebeneinander, Claas und ich in den zwei Sesseln gegenüber. Julian hatte für uns alle Nasi Goreng gekocht. Aus der Packung, aber es schmeckte gut und er hatte ein paar Windlichter und später eine Shisha angezündet. Die Kerzen flackerten in dem lauen Wind, der durch die Terrassentür hineinwehte. Eigentlich hätte es ganz romantisch sein können. Die Luft war warm und duftete süß, die Zikaden zirpten, und wenn man sich reckte, konnte man auf der glitzernden Fläche des Meeres die Lichter von Les Colonnes blitzen sehen.
    Aber Paiges Buch, in dem Claas noch immer blätterte und aus dem er immer wieder Passagen rezitierte, hatte uns in eine seltsam gedrückte Stimmung versetzt.
    »Also, ich weiß nicht, manches klingt doch gar nicht so unvernünftig«, meinte ich.
    Tammy lachte auf. »Findest du dieses Geschwafel etwa richtig?«
    »Nein«, sagte ich, »aber in manchem hat er schon recht. Ich meine, wollt ihr euch vorschreiben lassen, wen ihr liebt?«
    Dabei heftete ich meinen Blick auf Julian.
    Aber er sah nicht mich an. Sondern Tammy. Dachte ich mir da schon was dabei? Ich weiß es nicht mehr. Ich war wohl zu enttäuscht – auch Claas sah Tammy an.
    Julian nahm Claas das Buch aus der Hand und las: »Jeder Mensch hat das Recht zu arbeiten, wie er will – das sollten sie sich mal in der Schule merken.«
    »Hier geht es um die Freiheit des Individuums«, belehrte Claas ihn – oder vielmehr uns alle. »Wir reden zwar dauernd davon und glauben, dass wir so frei sind«, dozierte er weiter, »aber sind uns nicht viele Rechte schon längst genommen? Darf eine Frau abtreiben, wenn sie es für richtig hält?« Er holte

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