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Wenn Es Dunkel Wird

Wenn Es Dunkel Wird

Titel: Wenn Es Dunkel Wird Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manuela Martini
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tief Luft und gab, bevor einer von uns etwas sagen konnte, selbst die Antwort: »Nein, sie muss erst die Erlaubnis von zertifizierten Experten haben, dabei ist es ihr Körper, ihr Leben.«
    »Ja, der Fötus gehört doch nicht der Gesellschaft«, ergänzte ich. Claas grinste wissend. »Tja, darüber gehen die sozialpolitischen Ansichten auseinander.«
    »Und ich will sterben dürfen«, redete ich weiter, »wann und wie ich will – und nicht einen Experten um Erlaubnis fragen müssen.«
    »Der dann vor Gericht gestellt und verurteilt wird, weil er dir beim Sterben geholfen hat«, ergänzte Claas und nickte mir zu.
    »Genau«, stimmte ich zu, »ich will über mein Leben wenigstens in diesen Grundbedürfnissen selbst entscheiden!«
    Tammy und Julian schien unsere Argumentation überhaupt nicht zu interessieren. Tammy zog die Beine an und gähnte.
    Julian sah von dem Buch auf. »Hört mal, das hier klingt echt krass: Jeder hat das Recht, denjenigen zu töten, der ihm diese Rechte nimmt.«
    »Wenn dich jemand daran hindert, jemanden zu lieben, den du lieben willst, dann darfst du ihn killen«, Claas nickte, »genau das bedeutet es.«
    Tammy lachte auf. »Wie war denn der Typ drauf?«
    Wir alle dachten: Dieser Henry Paige musste ein egozentrischer, widerlicher Typ gewesen sein, den ein verquerer Missionierungsgedanke umtrieb. Aber – oder gerade deshalb – hatte er unsere Neugier geweckt, seine Ideologie faszinierte uns.
    Warum? Ich weiß es nicht. Zumindest legten wir das Buch nicht zur Seite, legten es nicht in die Kiste zurück, in der es Jahrzehnte vor sich hin gemodert hatte.
    »Ich will mir gar nicht vorstellen«, sagte ich zu den anderen, die schweigsam geworden waren, »dass dieser Paige hier gewohnt hat, in diesem Haus, in diesem Garten, ja, vielleicht hat er genau hier gesessen.«
    Julians Blick streifte mich kurz, dann sagte er an Tammy gewandt: »Wenn wir das Mama erzählen, lässt sie alle Möbel rausschmeißen und die Tapeten abreißen.«
    »Wundert mich, dass sie die Kiste nicht damals schon mal aufgemacht haben«, meinte Tammy.
    »Wieso sollten sie?«, sagte Julian. »Sie wollten ein Ferienhaus, in dem sie die Sommer verbringen, was da heißt: Sonne – Pool und …«
    »Drinks«, ergänzte Tammy.
    Julian lachte. »Ja, genau. Und wer wühlt schon im Hochsommer beschwipst auf dem Speicher in staubigen Kisten rum?«
    Claas und ich lachten kurz auf.
    Seit der Sache im Bad waren wir komisch zueinander. Wir sahen uns nur noch flüchtig an, ich vermied jeden Körperkontakt. Hatte etwa auch Claas an jemand anderen gedacht?
    »Ich hab irgendwie das Gefühl, dass dieser Paige hier immer noch anwesend ist«, sagte ich, um den Gedanken zu vertreiben.
    »Als Geist oder was?«, erwiderte Tammy verächtlich.
    »Vielleicht ist seine Seele noch nicht erlöst und irrt immer noch hier herum«, redete ich unbeeindruckt weiter, ohne sie anzusehen.
    »Wer glaubt denn an so einen Schwachsinn!« Tammy schnaubte. »Mel-o-dyyyy! Mel-o-dyyy … ich bin’s, Henryyy!«
    »Spirituelle Menschen können sich durchaus in weitere Dimensionen denken, weißt du, Tammy«, sagte ich betont nachsichtig und genoss es, dass Tammy nichts darauf zu erwidern wusste.
    Julian sah auf. Die Schatten auf seinem Gesicht flackerten im Kerzenschein – sah er mich an?
    »Ich kann mir vorstellen, wie dieser Paige verschwunden ist«, sagte Julian, schaltete die Taschenlampe an und blätterte, bis er die Stelle gefunden hatte. »Hier: Der Mensch hat das Recht zu lieben, wie er will, auch erfüllet euch nach Willen in Liebe, wie ihr wollt, wann, wo und mit wem ihr wollt!«
    Er sah auf. »Das gibt doch totalen Stress, oder?«
    Ich merkte zu spät, wie ernst er seine Frage meinte, und sagte flapsig: »Klar, irgendwann meinte seine Ehefrau: ›Jetzt reicht’s, lieber Henry!‹, und rammte ihm das Messer ins Herz.« Ich grinste ihn an.
    »Wer ist schon gegen Eifersucht gefeit?«, sagte er nachdenklich, ohne meinen Blick zu erwidern, und blies den Rauch in die Nacht. Claas war still und ich glaube, Tammy war wohl kurz weggenickt. Ihr Kopf ruhte zumindest auf Julians Schulter.
    Zu diesem Zeitpunkt bezog ich Julians Äußerung auf die Beziehung zwischen mir und Claas: Von der Freundin eines Freundes lässt man die Finger.
    Noch immer wäre Zeit gewesen, das Buch zurück zu den anderen in die Kiste zu legen. Doch aus Langweile vielleicht – oder weil das Buch mittlerweile in meinen Händen lag und ich etwas Bedeutungsvolles von mir geben wollte, blätterte ich

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