Wenn es Nacht wird in Manhattan
Essen zubereitet. Er hatte das Gefühl, dass sie nach dem nervenzermürbenden Zwischenfall ein wenig Ruhe brauchte, und ihnen angeboten, sie in ein Restaurant einzuladen. Aber sie wollte nicht. Sie müsse sich ablenken, erklärte sie ihm. Es würde nichts bringen, sich über geschehene Dinge Gedanken zu machen.
“Typisch Tippy”, sagte Rory grinsend und warf seiner Schwester einen liebevollen Blick zu. “Sie beklagt sich nie, egal wie dick es kommt.”
“Das habe ich bereits gemerkt”, entgegnete Cash. Er nahm den letzten Bissen von seinem Steak und spülte mit Kaffee nach. Er war noch immer aufgebracht darüber, wie leicht es dem Entführer gefallen war, ohne Verdacht zu erregen in die Stadt zu kommen und in sein Haus einzudringen. Finster blickte er die Kaffeetasse an, als wäre sie höchstpersönlich verantwortlich dafür.
“Ist er zu dünn?”, fragte Tippy sofort.
Er sah sie an. “Wer? Der Kaffee?” Er hob die Tasse an den Mund. “Nein. Er ist genau richtig.”
“Du regst dich darüber auf, dass der Mann ins Haus eingebrochen ist …”, begann sie.
Cashs finsterer Blick wurde geradezu furchterregend.
“Daran musst du dich auch gewöhnen”, meinte Rory beiläufig. “Sie kann Gedanken lesen.”
“Auch das habe ich schon gemerkt”, sagte Cash. Seine Lippen waren ein schmaler Strich. Dann machte er sich klar, dass er derjenige war, der sich unvernünftig verhielt. Schließlich war sie es, die Trost und Verständnis brauchte. “Tut mir leid”, fügte er hinzu.
“Ist schon in Ordnung”, erwiderte sie lächelnd. “Ich sollte mich entschuldigen. Ich will dir nicht auf den Wecker fallen …”
“Du kannst eben nur Gedanken lesen”, beendete er den Satz für sie.
“Nur deine und meine”, schaltete Rory sich ein. “Bei anderen Leuten kann sie es nicht.”
“Wirklich nicht?” Cash war verblüfft.
Rory schüttelte den Kopf, während er den letzten Bissen Kartoffelbrei vertilgte. “Sie versucht es zwar, aber es klappt nie.”
Das gab der Sache natürlich ein ganz anderes Gewicht. Es war ja fast so, als wären er und Rory ein Teil von ihr. Dieses Gefühl hatte er noch nie kennengelernt – nicht einmal während seiner kurzen Ehe.
Was ihm wirklich Sorgen bereitete, war die Angst, die er gespürt hatte, als er wusste, dass sich ein Einbrecher in seinem Haus aufhielt, Tippy in Gefahr schwebte und er es nicht vorausgesehen hatte. Während der kurzen Minuten, die er brauchte, um zu seinem Haus zu fahren, hatte er sich in den schrecklichsten Farben ausgemalt, was ihr alles passieren könnte. Er war machtlos gewesen, und das gefiel ihm ganz und gar nicht. Schlimmer noch, die Angst, die er um ihr Leben gehabt hatte, war stärker als alle Furcht, die er jemals empfunden hatte. Sie war bereits ein Teil von ihm, ein Teil seines Lebens. Wenn er sie verlöre …!
“Möchtest du einen Nachtisch?”, riss Tippy ihn aus seinen düsteren Gedanken. “Es gibt Schokoladeneis.”
“Ich habe keinen Appetit auf Dessert.”
“Ich auch nicht”, schloss Rory sich an. “Das war ein ziemlich aufregender Tag.” Höflich bat er darum, aufstehen zu dürfen. Dann ging er um den Tisch herum und umarmte seine Schwester. “Ich bin so froh, dass dir nichts passiert ist”, meinte er mit belegter Stimme und schloss die Augen. “Du bist nämlich alles, was ich habe.”
“Stimmt nicht”, korrigierte Cash ihn lächelnd. “Ich bin ja schließlich auch noch für dich da.”
Rory warf ihm einen überraschten Blick zu. Er hatte geglaubt, dass er Cash inzwischen eher lästig geworden war.
Schüchtern erwiderte Rory sein Lächeln. “Danke. Das beruht übrigens auf Gegenseitigkeit. Ich würde dir natürlich auch helfen, wenn ich kann.”
In Cashs Miene spiegelten sich Rührung und leiser Stolz. “Ich werde darauf zurückkommen.”
“Wenn du nichts dagegen hast, schau ich mir den neuen Abenteuerfilm an, den du mitgebracht hast”, sagte Rory zu Cash.
“Aber sicher. Heute Abend kommt sowieso nichts Besonderes im Fernsehen.”
“Danke!”
Im Nu war er verschwunden und ließ Tippy und Cash allein am Tisch zurück. Cash spielte mit seiner leeren Tasse.
“Möchtest du noch etwas Kaffee?”, fragte sie, als sie seine Nervosität bemerkte.
“Ich hätte nichts gegen eine zweite Tasse einzuwenden”, sagte er.
Sie stand auf, um ihm nachzuschenken. Als sie die Tasse vor ihn hinstellte, griff er nach ihrer Hand und zog sie sanft auf seinen Schoß.
“Als ich zum Militär ging, hatte ich nicht daran gedacht,
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