Wenn es Nacht wird in Manhattan
Karriere zu machen”, begann er, während sie ihren Kopf an seine Schulter lehnte und er ihre Hand in seine nahm. “Ich habe dort die Schule zu Ende gemacht. Aber zwischenzeitlich war meinem Ausbilder aufgefallen, dass ich bei den Schießübungen nie mein Ziel verfehlte. Er empfahl mich an eine Spezialeinheit, die unter strengster Geheimhaltung arbeitete. Sie gaben mir einen Auftrag, und ich habe ihn erfüllt.” Sein Handgriff wurde fester. “Ich kann dir keine Einzelheiten erzählen. Die meisten Einsätze waren topsecret. So viel kann ich dir jedenfalls sagen – es gehörte zu meinem Job zu töten.”
Sie schwieg und rührte sich nicht, denn sie befürchtete, dass er nicht weitersprach. Zum ersten Mal hatte er ihr gegenüber soviel Vertrauen gefasst, dass er ihr sein Geheimnis anvertraute. Sie spürte instinktiv, dass er es nur einem einzigen anderen Menschen gestanden hatte. Und seine Frau hatte ihn danach verlassen. Tippy wusste, dass sie das niemals tun würde, egal, was er ihr erzählen würde. Dafür liebte sie ihn viel zu sehr.
Er sah ihr ins Gesicht. “Kein Kommentar?”, fragte er sichtlich angespannt.
“Du erzählst, ich höre zu”, sagte sie leise. “Ich weiß, dass das schwer für dich ist. Ich urteile nicht über dich, und ich kritisiere dich nicht. Aber ich glaube, es hilft dir, darüber zu sprechen.”
Er lachte bitter. “Das habe ich auch mal gedacht.”
Sanft streichelte sie ihm über die Wange. “Die Vergangenheit ist vorbei. Und ich bin kein Feigling.”
Er schien sich ein wenig zu entspannen. “Daran wird nach den heutigen Ereignissen bestimmt keiner mehr zweifeln”, murmelte er. “Die Leute hier werden noch lange von dir reden. Für sie bist du eine Heldin.”
Sie grinste spitzbübisch. “Meinst du?”
“Aber gewiss.” Er änderte seine Haltung, damit sie bequemer sitzen konnte. Inzwischen war er sichtlich lockerer. “Ich hatte bei zwei Spezialeinsätzen mitgemacht, als die Gewissensbisse einsetzten. Ich habe die Armee verlassen, aber das tat meinem Ruf keinen Abbruch. Mein Name stand auf den Listen aller, die Spezialeinsätze organisierten. Als Freiberufler war ich gut im Geschäft. Ich ließ mich von ihnen überzeugen, dass mein Tief eine vorübergehende Erscheinung war und dass ich wichtige Arbeit tat, um die Welt zu einem sichereren Ort zu machen. Ich habe ihnen das abgekauft. Ich habe für bestimmte Stellen im In- und Ausland gearbeitet, oft in Kooperation mit Drogenkommandos, bei denen ich als Scharfschütze fungierte. Ich beherrschte mehrere Sprachen, was auch kein Nachteil war, und ich konnte alles reparieren, was mit Elektronik zu tun hatte. Ich bin nie arbeitslos gewesen.”
Er holte tief Luft, und der Blick seiner dunklen Augen verlor sich in der Ferne. “Eines Nachts begannen die Albträume. Sehr reale, sehr lebendige und furchtbare Albträume. Ich habe die Gesichter von Toten gesehen. Erst geschah es nur einmal die Woche, später jeden zweiten Tag.” Die Erinnerungen brachten einen gequälten Ausdruck in seine Miene. “Ich dachte, wenn ich den Job quittiere, würden sie aufhören. Mit meiner freiberuflichen Arbeit hatte ich genug Geld verdient, um ein gutes Leben führen zu können. Das Geld lag sicher in einer Schweizer Bank. Bisher hatte ich immer viel Glück gehabt, und es war nur eine Frage der Zeit, wann sich das Blatt wenden würde. Deshalb habe ich gekündigt und bin zurück in die Staaten gekommen. Mehrere Jahre habe ich in Texas bei der Polizei gearbeitet, bis ich bei den Rangers landete. Eines Tages habe ich beim Mittagessen eine Frau kennengelernt – eine hübsche kleine Brünette, die auch ein Auge auf mich geworfen hatte. Sie flirtete so heftig mit mir, bis ich nicht mehr anders konnte, als mit ihr auszugehen. Nach dem ersten Date ist sie schon bei mir eingezogen. Zwei Wochen später haben wir geheiratet.”
Tippy versuchte, ihre Eifersucht zu unterdrücken, aber es gelang ihr nicht besonders gut. “Das ging aber schnell.”
“Ja. Viel zu schnell. Ich hatte keine Ahnung, dass sie eine Cousine von einem meiner Kumpel in der Army war. Er wusste nicht, welche Art von Arbeit ich beim Militär machte, aber er hatte mitgekriegt, dass ich auf großem Fuße lebte. Er hatte ihr erzählt, dass ich reich sei. Sie liebte Diamanten und teure Mode. Ich war zu sehr in sie verknallt, um zu bemerken, dass sie nur meine Geschenke wollte – und nicht mich.”
Angewidert verzog sie das Gesicht. “Es war bestimmt nicht leicht für dich, als du das
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