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Wenn es Nacht wird in Manhattan

Wenn es Nacht wird in Manhattan

Titel: Wenn es Nacht wird in Manhattan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Palmer
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ist es mit deinen anderen Brüdern?”, fragte sie leise.
    Seine Augen blickten düster. “Nur Garon”, wiederholte er. “Vor ein paar Wochen ist er noch bei mir gewesen. Er hat mir erzählt, dass sie das Kriegsbeil gern begraben würden.”
    “Also redet ihr wenigstens miteinander.”
    “Man kann es so bezeichnen.”
    Über ihrer Nasenwurzel bildete sich eine Falte. “Du vergibst den Menschen nicht, stimmt’s?”
    Er vermied es, sie anzusehen. Er beantwortete auch nicht ihre Frage. Stattdessen tat er so, als interessiere er sich für das Skelett, vor dem sie standen.
    “Deine Mutter muss eine ganz besondere Frau gewesen sein”, versuchte sie es erneut.
    “Sie war still und freundlich und Fremden gegenüber sehr zurückhaltend. Sie liebte Handarbeiten – Quilts nähen, Häkeln und Stricken.” Er klang, als müsste er sich jedes einzelne Wort mühsam abringen. “Sie war keine Schönheit, auch keine aufregende Person. Mein Vater hat das junge Model bei einer Viehauktion kennengelernt, wo sie bei einer Modenschau mitwirkte, die dort gedreht wurde. Er war total verrückt nach ihr. Meine Mutter konnte da nicht mithalten. Er behandelte sie grausam, weil sie ihm im Weg war. Als sie erfuhr, dass sie Krebs hatte, hat sie es niemandem erzählt. Sie hat einfach aufgegeben.” Er schloss die Augen. “Ich war die ganze Zeit bei ihr im Krankenhaus. Ich bin nicht einmal mehr in die Schule gegangen, und mein Vater hat irgendwann auch aufgehört, mich dazu zu überreden. Ich habe ihre Hand gehalten, als sie gestorben ist. Ich war damals neun Jahre alt.”
    Mit einem Mal waren ihr die anderen Besucher rings um sie herum gleichgültig. Sie drehte sich um, legte die Arme um ihn und drückte ihn an sich. “Erzähl weiter”, flüsterte sie, den Mund an seinen Hals gepresst. “Erzähl’s mir.”
    Er verachtete sich für seine Schwäche. Er hasste dieses Gefühl. Trotzdem umschlang er ihren schlanken Körper. Ihrem Angebot, ihn zu trösten, konnte er nicht widerstehen. Er hatte es so lange für sich behalten …
    Er stieß einen Seufzer aus, und sein Atem strich heftig und warm an ihrem Ohr vorbei. “Zur Beerdigung meiner Mutter brachte er seine Geliebte mit”, fuhr er mit kalter Stimme fort. “Sie hasste mich, und ich hasste sie. Sie hatte es geschafft, zwei meiner drei Brüder auf ihre Seite zu ziehen. Sie waren ganz verrückt nach ihr und sauer auf mich, weil ich sie nicht an mich heranlassen wollte. Ich habe sie von Anfang an durchschaut. Ich wusste, dass sie nur hinter Dads Geld und Besitz her war. Um es mir heimzuzahlen, hat sie alle Sachen meiner Mutter aus dem Haus gebracht und meinem Vater erzählt, ich hätte sie beschimpft und wollte ihn dazu überreden, sich von ihr zu trennen.”
    Er holte tief Luft. “Was dabei herauskommen würde, war natürlich klar, aber ich hab’s damals nicht vorausgesehen. Er schickte mich auf eine Kadettenschule und ließ mich nicht einmal in den Ferien nach Hause kommen. Ich sollte mich erst bei ihr für mein schlechtes Benehmen entschuldigen.” Er stieß ein freudloses Lachen aus. Er hielt sie jetzt so fest im Arm, dass es sie schmerzte, aber sie protestierte nicht dagegen. “Ehe ich ging, habe ich ihm gesagt, dass ich ihn bis an mein Lebensende hassen würde. Seitdem habe ich das Haus nicht mehr betreten.”
    “Irgendwann hat er sie doch bestimmt ebenfalls durchschaut”, mutmaßte sie.
    Er lockerte seinen Griff ein wenig. “Als ich zwölf war”, antwortete er, “hat er sie mit einem seiner Freunde im Bett erwischt und auf die Straße gesetzt. Sie verklagte ihn, um so viel wie möglich aus ihm herauszupressen. Damals hat sie ihm erzählt, dass sie ihn angelogen hatte, was mich anbetraf, um mich aus dem Haus zu bekommen. Dabei hat sie ihm ins Gesicht gelacht. Sie wollte ihm unbedingt eins auswischen. Den Prozess hat sie verloren, aber sie hatte seinen ältesten Sohn auf dem Gewissen.”
    “Woher weißt du das alles?”
    “Er hat mir einen Brief geschrieben, nachdem ich mich weigerte, seine Telefonanrufe zu beantworten. Er sagte, es täte ihm leid und er wollte, dass ich zurückkäme, weil er mich vermisste.”
    “Aber du wolltest nicht zu ihm zurückgehen”, sagte sie mehr zu sich als zu ihm.
    “Nein. Ich habe ihm gesagt, dass ich ihm niemals verzeihen würde, was er meiner Mutter angetan hatte und dass er nie wieder versuchen sollte, mit mir in Verbindung zu treten. Ich habe ihm auch gesagt, wenn er nicht mehr für meinen Schulbesuch bezahlen wollte, würde ich mir

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