Wenn es Nacht wird in Manhattan
hielt ihr seine Hand hin.
Sie legte den Kopf schräg. “Ist das der einzige Körperteil, den du mir anbietest?”, fragte sie. Als ihr bewusst wurde, was sie da gerade gesagt hatte, wurde sie knallrot.
Er brach in schallendes Gelächter aus und verschränkte seine Finger mit ihren. “Werde bloß nicht ungeduldig”, ermahnte er sie scherzhaft. “Wir haben uns ja noch nicht einmal richtig geküsst.”
Sie räusperte sich. “Mach dir bloß nicht zu viele Hoffnungen. Ich bin nämlich ein sehr prüdes Mädchen.”
“In meiner Gesellschaft wird dieser Zustand nicht lange andauern.”
“So was nenne ich Einbildung.”
Er senkte die Stimme, als er näher kam. “Nicht mehr, wenn du mich erst mal in Aktion erlebst”, neckte er sie, und seine Finger packten fester zu.
“Du bist unglaublich bescheiden”, frotzelte sie.
“Ein Mann mit meinen Talenten kommt ohne Bescheidenheit aus”, murmelte er schelmisch.
Sie hätte es niemals zugegeben, aber die Aussicht ließ ihr den Atem stocken. Er sah es ihrer Miene an. Sein Lächeln wurde breiter.
Sie aßen in einem japanischen Restaurant zu Mittag. Tippy und Rory hörten fasziniert zu, als er sich fließend auf Japanisch mit dem Kellner unterhielt. Außerdem wusste er sehr geschickt mit Essstäbchen umzugehen.
“Ich wusste gar nicht, dass du Japanisch sprichst”, rief Tippy aus. “Bist du mal in Japan gewesen?”
“Mehrmals”, antwortete er, während er mit den Stäbchen höchst gekonnt ein Stück Huhn zum Mund führte. “Mir gefällt es dort ausgezeichnet.”
“Beherrschst du auch noch andere Sprachen?”, wollte Rory wissen.
“Etwa sechs”, erwiderte er kurz. Er lächelte über den bewundernden Blick des Jungen. “Wenn du jemals zum Geheimdienst willst, kommst du mit Sprachen weiter als mit einem juristischen Examen.”
“Das stimmt nicht”, widersprach Tippy. Er wollte gerade etwas erwidern, doch sie fiel ihm ins Wort. “Du kriegst einen interessanten Job als Computertechniker, heiratest und gründest eine Familie.”
Rory warf ihr einen Blick zu. “Ich heirate, wenn du es tust.”
Cash konnte ein Grinsen nicht unterdrücken.
“Noch besser”, fügte er hinzu, “ich heirate, wenn
er
es tut.” Dabei zeigte er auf Cash.
“Auf diese Wette würde ich mich nicht einlassen”, riet Cash Tippy.
“Ich auch nicht”, pflichtete sie ihm bei.
Er sah sie neugierig an, aber er lächelte nicht. Tatsächlich hatte er Gefühle, die er noch nie zuvor in seinem Leben empfunden hatte, und das wurde ihm allmählich unheimlich. Diese Frau brachte es fertig, dass er Dinge wollte und brauchte, die er mehr fürchtete als Pistolenkugeln. Er sehnte sich danach, mit ihr ins Bett zu gehen, und es wurde immer offensichtlicher, dass sie ihm diesen Wunsch erfüllen würde. Die Aussichten ließen ihn schwindlig werden. Er stellte sich vor, wie er mit ihr auf einem weißen Laken lag, ihr wunderbarer Körper unter seinem, und ihre Beine schlangen sich um seine Hüften, während ihr Mund gierig Küsse von seinen Lippen sog. Sie hatte nie Sex gehabt, dem sie vorbehaltlos zugestimmt hätte, hatte sie ihm gestanden, aber er könnte ihr Lehrmeister sein. Er hatte eine Menge Erfahrung, kannte viele Techniken, und er konnte sie mit der unendlichen Vielfalt sinnlicher Freuden bekannt machen. Nichts hätte er lieber getan. Konnte sie es nicht sehen? Wusste sie es nicht?
In seiner Gegenwart strahlten ihre Augen. Sie mochte im Geiste noch unberührt sein, aber sie war klug genug, die Begierde im Gesicht eines Mannes und an seinem Körper zu sehen und zu spüren. Natürlich wusste sie darüber Bescheid. Er hatte das Gefühl, in eine Falle geraten zu sein.
Er zwang sich, sie nicht anzuschauen, während er darüber nachdachte, was er als Nächstes tun sollte. Es war keine gute Idee gewesen, nach New York zu fahren, schalt er sich. Er musste verschwinden, solange es noch Zeit war.
Tippy war die Veränderung in seinem Verhalten nicht entgangen, und unvermittelt reagierte sie sehr sensibel auf wechselnde Nuancen in seinen markanten Gesichtszügen.
Sie zog sich ebenfalls zurück. War sie eben noch zuvorkommend und fröhlich gewesen, verhielt sie sich nun plötzlich genauso distanziert wie Cash.
Sie gingen zu Tippys Apartment zurück, wo ein Junge in Rorys Alter vor der Tür stand und ungeduldig läutete. Er drehte sich um, als die anderen näher kamen.
“Hallo, Rory. Meine Mom will uns in diesen neuen Fantasyfilm mitnehmen, und anschließend kannst du bei mir übernachten.”
Weitere Kostenlose Bücher