Wenn es Nacht wird in Manhattan
Ungeduldig wartete er darauf, endlich etwas tun zu können. Er musste sehr geschickt zu Werke gehen, wenn er sie lebendig befreien wollte. Er wollte lieber nicht darüber nachdenken, was passieren würde, wenn er nicht rechtzeitig an Ort und Stelle war.
Das Lagerhaus befand sich in einer Seitenstraße, und eine der Straßenlaternen war zerbrochen. Vermutlich durch einen Steinwurf. Eine Gruppe Jugendlicher lungerte herum und begann zu buhen. Als sie jedoch Cash und Peter in ihrer Arbeitsausrüstung sahen, hatten sie es plötzlich eilig, in die entgegengesetzte Richtung zu verschwinden.
“Mach dir über die keine Sorgen”, beruhigte Peter ihn. “In dieser Gegend kommt uns keiner in die Quere. Nicht um alles in der Welt. Wie kommen wir hinein?”
Sie hatten das Lagerhaus bereits genau unter die Lupe genommen und alle Ausgänge kontrolliert.
“Über das Dach und durch die Lüftungsschächte”, sagte Cash. “Und vom ersten Stock über die Treppe hinunter ins eigentliche Lagerhaus.”
“Pass auf, dass du nicht zu viele Flaschen zerdepperst”, meinte Peter besorgt. “Viejo hat nicht viel Geld, und das hier ist vermutlich sein gesamter Besitz.”
“Ich tue, was ich kann. Los.”
“Was ist mit der Polizei?”, fragte Peter ernst.
“Gute Idee.” Cash holte sein Handy hervor und wählte eine Nummer.
Mit Hilfe von Klettereisen erreichten sie das Dach und seilten sich rasch und leise durch den Lüftungsschacht auf das oberste Stockwerk ab.
Da sie kleine Empfänger im Ohr und Mikrofone vor den Lippen hatten, konnten sie sich auch über größere Entfernungen miteinander verständigen, ohne laut sprechen zu müssen. Cash ging als Erster. Das Nylonseil hatte er über die Schulter geschlungen und das Klappmesser hatte er an seiner Hüfte befestigt. Zusätzlich hatte er die 45er Automatik. Er und Peter waren ganz in Schwarz gekleidet und hatten Skimasken übers Gesicht gezogen.
Auf dem Laufgang hielt er kurz inne und warf einen Blick in den unteren Bereich des Lagerhauses. Zwischen den Fässern und Weinregalen bemerkte er eine Frau, die mit dem Gesicht nach unten auf einem Pappkarton lag. Über ihr standen drei Männer und stritten sich. Einer von ihnen hielt eine zerbrochene Flasche in der Hand. Er fuchtelte damit in der Luft umher. Die Frau rührte sich nicht. Cashs Herz setzte einen Schlag lang aus, als er sah, was unten vor sich ging. Wenn sie sie verletzten, würde er die Männer töten. Dann gäbe es für ihn absolut kein Halten mehr.
Er bedeutete Peter stumm, auf der anderen Seite des Lagerhauses Stellung zu beziehen. Sein Partner nickte, während er auf sein eigenes zusammengerolltes Nylonseil zeigte. Peter brauchte eine Ewigkeit, um sich geräuschlos zwischen den Kartons einen Weg zu bahnen. Vor einem Stück Plastik blieb er stehen und wartete, bis ein vorbeifahrender Lastwagen das Knistern übertönte, dass er unweigerlich verursachen würde, wenn er über die Plane lief.
Endlich hatte er seine Position erreicht und zeigte Cash den erhobenen Daumen. Beide verknoteten ihre Nylonseile am Eisengeländer im ersten Stock. Cash zog seine Automatik hervor; Peter tat es ihm nach. Cash kletterte auf das Geländer und sah Peter zu, wie er das Gleiche tat. Dann rutschten beide mit lautem Gebrüll nach unten, um die Männer aus der Fassung zu bringen.
“Was zum Teufel …”, begann der größere Mann im Erdgeschoss fassungslos.
“Schieß! Schieß doch!”, schrie der zweite Mann und zog eine Pistole. Er feuerte ein paar Schüsse in Cashs Richtung, aber Cash hatte es im Laufe der Jahre zu großer Geschicklichkeit gebracht, wenn es darum ging, Kugeln auszuweichen. Er ließ das Seil los, rollte zur Seite und feuerte.
Der zweite Mann packte sich ans Bein und fiel stöhnend zu Boden. Den anderen hatte Peter im Würgegriff von hinten umklammert. Der dritte Mann gab sich sofort geschlagen und rannte zum Ausgang. Noch ehe Cash ihn sich genauer ansehen konnte, war er bereits verschwunden.
Cash steckte die Waffe weg und lief zu Tippy. Als er näher kam, sah er, dass ihr Gesicht blutüberströmt war. Auch ihre Bluse war blutverschmiert und zerrissen. Ihre weich geschwungenen Schultern und ihr Rücken waren über und über mit Wunden und blauen Flecken bedeckt. Sie bewegte sich nicht. Sie schien nicht einmal zu atmen.
In diesem Moment erinnerte Cash sich an das Bild, wie Christabel Gaines auf dem Boden lag, nachdem sie vor einigen Monaten von einem von Judds Gegnern niedergeschossen wurde. Wieder wurde er von Panik
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