Wenn es Nacht wird: Psychothriller (German Edition)
widerhallte. Ich spürte keinen Schmerz. Schockiert sah ich an mir herunter und erwartete Blut und irgendwo ein Loch zu sehen. Dann stieß Fitz einen Schrei aus, krümmte sich und brach zusammen.
Malcolm rührte sich nicht. Fitz lag auf dem Boden und jammerte.
Über dem dröhnenden Motorenlärm hörte ich noch mehr Sirenen. Sie schienen lauter zu werden, das Beben des Schiffes schien sich über die Füße auf meine Brust zu übertragen. Dann ein Brummen aus der Ferne, ein Hubschrauber … War der nicht zu weit entfernt?
Dylan. Ich wollte zu Dylan.
Ich rannte die Stufen hinunter. Es war dunkel, die Kabine versank im Chaos, der Boden war feucht und glitschig vor Blut. Ich sah zum Fußende des Sofas hinüber, aber da war er nicht.
Endlich erzitterte der Motor und ging aus. Dann hörte ich es, das deutliche Brummen eines Hubschraubers. Ein Scheinwerferlicht fiel auf Deck und durch die offene Tür des Steuerhauses. Ich sah Blut an den Wänden und auf dem Boden. Einen blutigen Handabdruck an der Holzverkleidung in der Nähe der Tür zum Schlafraum. Und Geräusche – ich hörte, wie sich etwas bewegte. Und einen plötzlichen Knall, Knacken und Splittern.
Die Tür stand offen. Der Schlafraum war ein einziges Chaos, das Bettzeug zerwühlt, Blut klebte an den Wänden. Am Boden lag, gegen das Bett gelehnt mit verdrehten Beinen, Leon Arnold. Er bewegte sich nicht.
Dann erneut das Geräusch. Ich sah nach links zur Tür des zweiten Schlafraums. Darin kämpften zwei Personen, ein unentwirrbares Knäuel aus Körpern und Fäusten. Ich brauchte einen Moment, um zu begreifen, dass Dylan und Markus sich prügelten – aber wer war wer? Und was konnte ich tun?
In der Zimmerecke lag mein Werkzeugkasten. Ich griff nach dem erstbesten Instrument – es war ein schwerer Hobel. In dem Augenblick fiel das Scheinwerferlicht durch das Bullauge, Dylan lag am Boden, Markus kniete auf seiner Brust und hielt ein Stück Holz in der Hand, das er aus der Koje gebrochen und erhoben hatte, um Dylan den Schädel einzuschlagen.
Ich musste ihn wohl mit dem Hobel getroffen haben. Ich hielt ihn noch in der Hand, aber Markus lag auf dem Boden, rutschte dort aus und blieb neben dem, was von meiner Koje übrig geblieben war, liegen.
Ich ließ den Hobel fallen und ging neben Dylan auf die Knie. Ich wusste nicht, wo ich ihn berühren oder wie ich ihm helfen sollte.
Geräusche aus der Kabine, Rufe und Schritte, Lichter, die in den Flur schienen. Ich dachte, es sei Fitz. Ich legte mich quer über Dylan und hielt ihn fest, beschützte ihn.
40
Mitten in der Nacht im Krankenhaus: ein absolut deprimierender Ort um diese Zeit.
Josie und ich hatten die vergangenen zwei Stunden auf denselben harten, in den Boden geschraubten Plastikstühlen gewartet. Davor hatten wir Malcolm sehen dürfen, zumin dest Josie. Ich hatte in der Tür gestanden, neben mir ein Polizeibeamter für den Fall, dass ich etwas tat, sagte oder wegrannte – genau wusste ich das nicht. Auf alle Fälle war sie auch da. Nach einer Weile achtete ich nicht mehr darauf, und als ich das nächste Mal hinsah, war der Beamte verschwunden, und eine Beamtin hatte seinen Platz eingenommen. Sie redete mit mir, sagte irgendwas, das damals einen Sinn ergab, also nickte ich, sagte »Ja, okay«, und das schien sie zufriedenzustellen, denn danach war sie still.
Der Beamte hatte mir einen Becher mit einer braunen Brühe gebracht, die nach Kaffee aussah. Sie brannte in meiner Kehle, doch ich bemerkte es kaum. Ich versuchte mir darüber klar zu werden, was passiert war, doch es ergab alles keinen Sinn. Meine Gedanken fuhren mit mir Karussell, und alles fühlte sich irgendwie falsch, fehlerhaft, missglückt an.
Josie hatte es aufgegeben, mir Fragen zu stellen. Immer, wenn sie Malcolms Namen erwähnte, begann ich zu weinen. Sie erzählte mir, dass sie auf die Scarisbrick Jean gekommen sei und alles voll Mehl vorgefunden habe. Überall war Mehl. Sie hatte sich keinen Reim darauf machen können.
Das war der Teil der Geschichte, der für mich einen Sinn ergab. Malcolm hatte das Päckchen aus dem Lagerraum geholt und gedacht, es enthalte Drogen. Dann hatte er Fitz angerufen, weil er geglaubt hatte, sie gehörten ihm. Also war Fitz persönlich aufgekreuzt, um herauszufinden, was da los war, und vielleicht auch, um zu erfahren, wo das Leck war. Um denjenigen zu finden, der etwas von seiner Drogenlieferung abgezweigt und auf Malcolms und Josies Boot versteckt hatte. Als sie das Päckchen dann vor Malcolms Augen
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