Wenn es plötzlich Liebe ist
aussah.
Aber als sie ihn anblickte, war er wach und sah sie an. Seine Miene hatte im ersten Morgenlicht sehr eindringlich gewirkt. Er hatte sie offenbar lange angestarrt. Sie hatte sich gefragt, ob er sie küssen würde, aber dann war er geschmeidig vom Bett aufgesprungen und ohne auch nur einen Morgengruß aus dem Zimmer gegangen.
Das leise Summen des Faxgeräts hinter ihr lenkte sie von ihren Gedanken ab. Automatisch hob sie die Seiten hoch, die durch die Maschine glitten.
Seit jener Nacht hatte er sie gemieden, und sie fühlte sich fast wie eine Aussätzige, wenn er etwa auf dem Gang um sie herumtrat oder auswich, wenn sie einander auf dem Weg ins Bad begegneten. Sie riet sich, das nicht persönlich zu nehmen, aber das half auch nichts.
Die Faxmaschine spuckte weiter Blatt für Blatt aus, bis Grace endlich darauf blickte und die Stirn runzelte.
»Das ist für mich.«
Grace zuckte zusammen. Smith war lautlos durch den Raum auf sie zugekommen. Ob sie sich wohl jemals daran gewöhnen würde, wie leise er sich bewegte?
»Was ist das?« Sie reichte ihm die Papiere.
»Das sind die Eintragungen für Lieferanten und Besucher.« Er ging zurück an den Konferenztisch.
»Von wo?«
Als Smith keine Antwort gab, wusste sie, dass es mit dem Fall zu tun hatte.
»Erzähl mir mehr davon«, sagte sie leise.
Er blickte hoch. »Ich will dich damit nicht belasten.«
»Ich habe dir doch schon mal gesagt, mir geht es besser, wenn ich Bescheid weiß.«
»Ich bin nicht so sicher«, murmelte er. Als sie ihn eindringlich ansah, zuckte er die Achseln. »Ich gehe sämtliche Eintragungen für die Gebäude noch einmal aus einer anderen Perspektive durch. Ich suche nach Mustern, die Marks und seinen Männern vielleicht entgangen sind.«
Grace trat zu ihm, lehnte sich über seine Schulter und blickte auf die Kolonnen von Daten und Namen. Sie erkannte eine Menge der Namen.
»Ist es nicht Zeit, zum Flughafen zu fahren?«, fragte er unvermittelt.
»Ja.«
Sie hätte nichts dagegen gehabt, die Reise abzusagen, weil sie immer noch meinte, sie müsse zu Mimis Beerdigung. Außerdem freute sie sich ohnehin nicht auf ihre Mutter. Die Unterhaltung mit Carolina am Vortag, als sie erklären musste, warum Ranulf nicht mitkommen würde, war nicht gut verlaufen. Die Missbilligung der Mutter war deutlich spürbar gewesen, als sie außerdem erwähnte, sie würde in Begleitung eines Freundes erscheinen.
Als sie das Büro verließen, hoffte Grace, dass die Zeit rasch vergehen würde. Sie liebte ihre Mutter so, wie die andere Frau dies zuließ, aber Carolina Hall konnte man nur in kleinen Portionen vertragen.
Eddie fuhr sie zum Teterboro-Flughafen, wo das glänzende Flugzeug der Hall-Familie schon aufgetankt auf sie wartete. Ihr Vater hatte den Gulfstream-Jet häufig benutzt, aber Grace plante, ihn zu verkaufen, weil für sie die Kosten die Annehmlichkeiten bei Weitem überwogen. Es war kein langer Flug, kaum mehr als eine Stunde bis zum Flughafen
T. F. Greene außerhalb von Providence, Rhode Island. Als sie ausstiegen, sahen sie schon die vertraute Mercedes-Limousine bei der Sondereinfahrt neben dem Rollfeld warten.
»Hallo,Wilhelm«, begrüßte Grace den Fahrer. Ein uniformierter Gepäckträger bugsierte schon ihre Koffer auf einem Karren herbei.
»Miss Grace«, erwiderte der Mann und tippte sich an die Chauffeursmütze. Sein deutscher Akzent war unverkennbar.
»Wie geht es Marta?«
Der Mann öffnete ihr die Tür und antwortete: »Gut. So gut wie immer. Sie freut sich darauf, Sie zu sehen, auch wenn es nur auf ein Wochenende ist.«
»Wilhelm, das hier ist John Smith. Ein Freund.«
Der ältere Mann verbeugte sich leicht. »Angenehm.« Smith nickte und glitt neben Grace auf den Rücksitz.
Es dauerte eine ganze Stunde bis nach Newport, und als sie über die prächtige Brücke zur Insel fuhren, spürte Grace die Vorfreude in der Magengegend. Das Haus in Newport war ihr wahres Zuhause, ein Ort, den sie liebte wie einen alten Verwandten. Die fröhlichen Sommertage und warmen Sommernächte ihrer Kindheit und Jugend am Meeresufer standen ihr deutlicher vor Augen als noch der gestrige Tag im Büro.
Was die Planung für den Jahresball betraf, so war diese chronologische Amnäsie gut für sie. Sie hatte immer noch kein geeignetes Stück für die Versteigerung, und mit dem Menü für das Festessen gab es ernste Probleme.
Aufgrund von Frederiques Einmischung hatte der Partyservice ihr ein obskures Menü aus asiatischer Fusion-Küche unterbreitet,
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