wenn es Zeit ist
angebracht war, der bis in den Keller des Wohnhauses an der Straße führte.
Ich hielt Herrn Blatz die Tür auf und trat mit ihm in das dunkle Treppenhaus. Bunte Kacheln klebten bis zur halben Höhe an den Wänden. Das Holz der Stiegen hatte im Laufe der vielen Jahre eine düstere Patina angenommen und roch nach frischem Bohnerwachs. Ich führte Herrn Blatz zur Hintertür, nahm den zweiten Schlüssel, der an dem groben Band hing, und öffnete den Weg zu einem schmalen, moosbewachsenen Gang vorbei an den Gärten der Wohnungsmieter. Ganz am Ende lag unser Garten, die ehemalige Obstplantage meines Großvaters. Einst standen hier in dichten Reihen Apfel-, Birnen- und Pflaumenbäume, die mein Vater alle gerodet hatte, als ich drei Jahre alt war. Damals hatten wir noch eine Wohnung, noch genug zu essen und er hatte sich nichts sehnlicher gewünscht, als hier einen Platz zu schaffen, an dem er mit mir bolzen könnte, wenn ich einmal groß genug dazu wäre. Meiner Mutter hatte er Beete angelegt, auf denen sie Gemüse ziehen konnte. Nur an den Rändern hatte er Bäume stehen lassen.
Gleich vorne links, wenn man den Garten betrat, befand sich noch ein zugedeckter Sandkasten aus dieser Zeit. Schräg gegenüber in der anderen Ecke war unter einem dichten und alten Kirschbaum, der die Rodung überstanden hatte, versteckt hinter einer Palisade, unser Komposthaufen, hauptsächlich besucht von vorwitzigen Ratten und den Vögeln, die sich die Kirschen schmecken ließen.
Die Hütte, in der wir hausten, stand hinten links, leicht schräg. Vor ihr auf den Steinfliesen, die so etwas wie eine Terrasse sein sollten, saß meine Mutter auf einem Stuhl am Tisch und schälte Kartoffeln. Am rechten Rand des Gartens hing die Wäsche, die sie am Vormittag mit der Hand erledigt hatte. Als er meine Mutter erblickte, ließ Herr Blatz meinen Hals los, lächelte freundlich und rief schon vom Gartentor aus: »Guten Tag Frau Graf.«
Unsicher lächelte auch meine Mutter, legte das Messer und die Kartoffel weg, kam uns entgegen und wischte dabei ihre Hände in der Schürze trocken.
»Guten Tag«, grüßte sie zurück. »Hat Henrik etwas ausgefressen?«
Sie sah fürchterlich aus. Die Haut über ihrem linken Wangenknochen schimmerte gelblich violett, die Oberlippe war aufgeplatzt und geschwollen und die Oberarme hatten blaue Flecken. Übersah Herr der Schuldirektor das aus Höflichkeit oder aus Ignoranz? Jedenfalls ging er auf sie zu, schüttelte ihre Hand und sagte: »Ja.«
Meine Mutter hörte sich an, was er ihr erzählte, nickte ab und zu bestätigend, versprach ihm, mich zu bestrafen und sicherte ihm zu, es käme nicht wieder vor. Das Gespräch dauerte vielleicht fünf Minuten. Ich wurde aus disziplinarischen Maßnahmen für eine Woche vom Unterricht ausgeschlossen. Herr Blatz erklärte meiner Mutter, ich erhielte einen Verweis, den ich von ihr unterschrieben mitbringen müsste, sobald ich wieder in die Schule käme.
Erst, als der Direktor wieder fort war und ich mich wortlos setzte, um die Kartoffeln fertig zu schälen, seufzte sie: »Und ich hatte so gehofft, du würdest nicht wie dein Vater.« Sie gab sich einen Ruck und ging ins Gartenhaus.
»Hast du Schulaufgaben?«
Ich hatte nicht einmal meine Schultasche mit. Sie muss auf dem Schulhof liegen geblieben sein. Und da ich keinen Unterricht hatte, konnte ich auch keine Aufgaben bekommen haben.
»Nein.«
»Wir sagen es deinem Vater nicht«, versprach sie. »Den Brief von der Schule unterschreibe ich und du versteckst ihn. Wir müssen uns nur noch überlegen, wohin du stattdessen gehst, damit Papa nichts merkt.« Nach dem Essen holten wir meinen Ranzen.
Vom ernsten Gespräch (1973)
Ich nickte. Was sollte ich anderes tun, während Herr Blatz sich immer noch am Kinn kratze und mich ansah, als erwartete er, ich könnte mich verteidigen? Ich hätte sagen können, es täte mir leid, reumütig eingestehen, mich mal wieder vergessen zu haben.
»Was ist los mit dir?«, fragte er. »Was geht in dir vor, wenn du so sehr die Beherrschung verlierst?« Er sah aus, als hätte ich ihn persönlich geschlagen, hatte tiefe dunkle Ringe unter den Augen und sein Mund war, selbst wenn Herr Blatz sprach, zusammengekniffen.
Ich konnte immer noch nichts sagen, zuckte nur mit den Schultern, als wäre mir alles egal. Dabei war ich nur ratlos. Ich wusste es doch nicht. Wie verzweifelt war ich schon, wenn ich nur voller Wut einen Teller zerschlug, eine Tür demolierte oder eine Axt in den dicken alten
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