Wenn Frauen kochen
Reinigung, ein Fitnessstudio und ein Blumengeschäft.
»Hier habe ich früher mal gewohnt, mit meinem Mann«, erzählte sie dem Fahrer. Als er nickte, fuhr sie fort: »Damals hieß dieser Stadtteil noch Yorkville.«
»Bevor Sie groß herauskamen?«
Die Makler hatten es in Carnegie Hall umgetauft, als Ende der Neunziger die Immobilienpreise in die Höhe schossen. Aber als sie und Christopher noch nicht lange mit dem College fertig und gerade vom Brunnenbauen in Afrika zurückgekehrt waren, mieteten sie sich ein kleines Studio in einem Haus Ecke Ninety-fifth und Madison. Es lag zu weit nördlich, um noch auf irgendeine Weise »in« zu sein. Aber es war mehr als aufregend, ein gemeinsames Zuhause zu haben, billige Glasvasen auf die Fensterbänke zu stellen und mit in Grün, Rot oder Blau gefärbtem Wasser zu füllen. Geschlafen hatten sie auf einem ausklappbaren Sofa, aber das war weitaus bequemer als das »Bett«, auf dem sie in Übersee gelegen hatten. Christopher hatte damals gehofft, als Journalist arbeiten zu können. Er schrieb für jede Zeitung, die bereit war, seine Artikel zu veröffentlichen. Gus hatte seine Texte Korrektur gelesen, war bis spät in die Nacht mit ihm aufgeblieben, um Kaffee zu kochen und ihn moralisch
zu unterstützen. Aber von Abenteuerlust und Hoffnung allein ließen sich keine Rechnungen bezahlen.
Schließlich begann er bei seinem Vater zu arbeiten und verkaufte chirurgische Instrumente. Sie zogen nach Westchester, um näher an seinem Vertreterbezirk zu sein - und bei ihrer Familie. Gus brauchte die Unterstützung, als Aimee und Sabrina in kurzem Abstand auf die Welt kamen. Sie hatte nicht erwartet, dass es so anstrengend sein würde.
Sie blickte hinunter auf den schmalen Goldring am kleinen Finger ihrer rechten Hand. Es war der Ehering ihrer Mutter, und Gus hatte die Größe vor ein paar Jahren anpassen lassen, nachdem ihre Mutter gestorben war. Ihr Vater war zu dem Zeitpunkt schon nicht mehr am Leben gewesen. Von Amts wegen bin ich Waise, dachte Gus, und Witwe. Zwei zum Preis von einem.
Durch das Wagenfenster sah sie eine Filiale der Edelsupermarktkette Food Emporium, Barnes & Noble, außerdem das Heidelberg-Restaurant und die deutsche Bäckerei - die einzigen Überbleibsel des einstigen Germantown. Erst Yorkville, daneben Germantown - jede Ansammlung von Häuserblocks stand in dieser Stadt für ein anderes Lebensgefühl, eine andere Kultur und eine andere Küche.
»Alles verändert sich«, sagte sie.
»Das ist auch gut so, auf seine Weise«, erwiderte er.
»Früher mochte ich Veränderungen«, stieß Gus hervor wie ein Geständnis. »Aber in letzter Zeit machen sie mich nervös. Ich fühle mich ein bisschen verloren.«
Sie war seit Jahren nicht mehr in der Kirche gewesen, nachdem sie entschieden hatte, dass Gott nicht noch einen weiteren Anhänger brauchte, der nur auftauchte, wenn es ihm schlecht ging und er Hilfe wollte. Davon abgesehen hatte sie ihre Zweifel, dass Gott tatsächlich da war. Und jetzt schüttete sie plötzlich
dem freundlichen Fahrer einer Luxuslimousine ihr Herz aus.
»Die Menschen erzählen Ihnen bestimmt die verrücktesten Geschichten«, fügte sie leicht verlegen hinzu.
»Allerdings«, bestätigte er grinsend. »Sie tun auch verrückte Dinge auf dem Rücksitz. Aber alles, was in diesem Auto passiert, unterliegt der Schweigepflicht. Ich kann Ihnen also nichts verraten.« Er lachte leise vor sich hin, während er den Wagen nach Westen in Richtung Rockefeller Center steuerte.
Gus betrachtete die überfüllten Straßen in der Innenstadt, sah Männer und Frauen, die es offenbar alle eilig hatten. Das hatte ihr am Leben in der Stadt so gefallen: diese pulsierende Vitalität, die förmlich in der Luft hing. Vielleicht müsste sie sich diese Energie zurückerobern. Vielleicht müsste sie ihren Lieben nur die Zutaten an die Hand geben, damit sie das Rezept ihres Lebens selbst kochen konnten. Dann könnte sie endlich daran arbeiten, ihrem Leben einen neuen Sinn zu geben. Es war ihr schon einmal gelungen. Sie hatte einen Weg gefunden, ein neues Leben und eine ganz neue Karriere anzugehen.
»Wir sind fast da«, sagte Joe. »Aber jetzt ziehen Sie wieder die Stirn kraus.«
»Gewohnheit.«
»Gewohnheiten sind dazu da, abgelegt zu werden, sage ich immer.«
»Nicht die guten«, widersprach sie.
»Gus, ich wünsche Ihnen einen wunderschönen Tag«, sagte Joe, während er den Wagen am Ziel hielt. »Aber ich muss gestehen, dass Sie auf mich wirken wie jemand, der
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