Wenn Frauen kochen
aus Sabrina … ja was eigentlich? Das rohe Ei? Etwas, das besonderen Schutzes bedurfte? Einen Schatz?
Ja, das war Sabrina. Ein Schatz.
Aimee betrachtete ihre Schwester betont desinteressiert und amüsierte sich köstlich. Es spielte keine Rolle, wie alt man war - Geschwister zu ärgern verlor nie seinen Reiz. Man verspürt
ein schwer zu beschreibendes Gefühl von Macht. Wenn die Eltern in der Nähe waren, machte es noch mehr Spaß. Aber befriedigend war es in jedem Fall.
»Du musst besser auf deine Sachen aufpassen«, sagte Aimee gedehnt und ging zurück in ihr Schlafzimmer, während sich Sabrina in einen Tobsuchtsanfall hineinsteigerte.
»Ach verschwinde doch und rette jemanden, der es will«, schrie sie und folgte ihrer Schwester, um den Streit fortzuführen.
Mit einem Seufzer der Verzweiflung zeigte Aimee auf ihren Kleiderschrank. Sabrina drehte den Kopf, und da, gegen die offene Tür gelehnt, entdeckte sie die schwarze Kunststoffmappe. Aimee nickte. Sabrina schnappte sich die Mappe, marschierte aus der Wohnung und gab sich größte Mühe, vorschriftsmäßig die Apartmenttür hinter sich zuzuknallen. Bei einer Tür mit Hydraulikzylinder war das nicht ganz einfach, aber Aimee rechnete ihr allein das Bemühen hoch an.
Nachdem die Haustür ins Schloss gefallen war, ging sie zum Badezimmerspiegel.
»Als große Schwester bist du ein ganz schönes Miststück, ist dir das klar?«, fragte sie ihr Spiegelbild. Das streckte ihr als Antwort die Zunge raus.
Dass sie ein Taxi erwischt hatte, grenzte an ein Wunder, und das wusste Sabrina auch. Sobald die ersten Regentropfen oder Schneeflocken vom Himmel fielen, stürmten alle New Yorker los, um das nächste Taxi zu ergattern und durch die Wagenfenster hämisch die armen Teufel anzugrinsen, die immer noch draußen unterwegs waren. Und selbst das leichte Schneerieseln an diesem Morgen führte zu einem wahren Taxiengpass. Aber Sabrina hatte Glück, weil sich ein Fahrgast direkt an ihrer Stammecke absetzen ließ. Natürlich postieren sich viele New
Yorker an Straßenecken. Sie haben ihre Stammecken, ausgesucht nach Bauchgefühl und Erfahrung. Wenn es ein Prinzip gab, dem Sabrina treu blieb, dann dem, niemals öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen. (»Ich halte nichts davon, unter der Erde zu sein«, hatte sie Aimee schon tausendmal erklärt.) An Tagen, an denen sie morgens in dem Tudor-City-Apartment erwachte, das sie gemeinsam mit Aimee bewohnte, ging sie drei Blocks weit bis zu ihrer Glücksecke. Wenn sie in Billys Upper-East-Side-Eigentumswohnung aufwachte, marschierte sie zur Ecke Ninety-sixth und Second. Im Jahr zuvor, als sie mit Troy zusammen gewesen war, spazierte sie von seinem fahrstuhllosen Loft im Norden von Little Italy zur Ecke Mercer und Houston, um dort strategisch Stellung zu beziehen.
Ihre Vorliebe für Taxis war einer der Gründe, warum sie mit Aimee zusammenwohnte, statt sich allein eine Einzimmerwohnung zu nehmen. Sabrina brauchte einen Teil ihres Einkommens als Taxigeld. In den ersten Jahren nach dem Collegeabschluss, als sie als Assistentin arbeitete und Praktika absolvierte, hatte ihr Geld kaum für die MetroCard gereicht. Aber nachdem sie ein paar Erfolge als Innenarchitektin gefeiert hatte und auf den Geschmack gekommen war, sich herumkutschieren zu lassen, gab es keinen Weg zurück. Ihr nicht sonderlich geheimes Ziel bestand darin, eines Tages einen Wagen mit eigenem Chauffeur zu besitzen. Ein durchaus hochtrabendes Ziel, aber eines, in das es wert war, viele Stunden zu investieren. Billy, mit dem sie seit vier Monaten zusammen war, beschwerte sich bereits darüber, dass sie so viel arbeitete. Sabrina konnte sich lebhaft vorstellen, was Aimee dazu sagen würde.
»Du? Jemand meint, dass du zu viel arbeitest?« Und dann würde sie auf ihre überhebliche Weise lachen.
War es eigentlich schon immer so gewesen? Sabrina meinte
sich an glücklichere Tage zu erinnern, aber im Grunde war es nur ein Gefühl. Ihre Mutter behauptete jedenfalls steif und fest, dass es eine Zeit gegeben habe, in der sie beide unzertrennlich waren. Sabrina konnte sich jedoch nur an die Zankereien erinnern. Wie sie einander an den Haaren gezogen und sich in der Schule ignoriert hatten. Und obwohl sie schon damals einen großen Freundeskreis hatte, nervte es sie heute noch, dass Aimee es offenbar als Zumutung betrachtete, mit ihr gesehen zu werden. Aimee konnte sie zur Weißglut treiben. So wie damals, als sie den Geschichtsaufsatz in den Müllzerkleinerer gestopft hatte
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