Wenn Frauen Männer buchen: Roman (German Edition)
zu. Wir müssen noch zu mir fahren.«
»Wieso das denn?«
»Na, du brauchst natürlich Berufskleidung.«
*
»Ich sehe unmöglich aus«, befand Eddie. Er drehte sich vor dem Spiegel in Joes Schlafzimmer hin und her, aber das änderte nichts daran, dass ihm Joes Sachen nicht passten. Die Smokingjacke war ihm an den Ärmeln mindestens zehn Zentimeter zu kurz, und die Hose ging kaum zu. Auch das Hemd hatte er nur mühsam zuknöpfen können, doch sobald er richtig Luft holte, würden die Knöpfe vermutlich reihenweise abplatzen.
»Ich hätte nicht gedacht, dass es so sehr auffällt«, meinte Joe betroffen. »Ich dachte eigentlich, dass …« Er verstummte lahm.
»Was dachtest du? Dass ich über Nacht geschrumpft bin oder was?«
»Eher umgekehrt«, meinte Joe kläglich. »Ich meine, wozu renne ich eigentlich seit einem halben Jahr fast jeden Tag in dieses blöde Fitnesscenter?«
Eddie zuckte die Achseln. Irgendwo an seinem Rücken knirschte eine Naht. »Soll ich jetzt, oder soll ich nicht? Es ist dein Job. Du musst entscheiden.«
Joe dachte fieberhaft nach, dann nickte er entschieden.
»Es muss gehen. Was ist mit den Schuhen?«
Eddie trat von einem Fuß auf den anderen. »Sind ungefähr eine Nummer zu klein, aber ich muss ja keine Wanderung machen.«
»Du darfst nicht so viel essen.«
»Wieso? Wäre das kein guter Ton?«
»Nein, aber dann platzt dir das Hemd auf.«
»Gibt es sonst noch was, worauf ich achten soll?«
»Warte.« Joe legte die Finger an die Schläfen. »Du musst der Lady aus dem Mantel helfen. Das ist ein absolutes Muss, hörst du.«
»Okay, ist gebongt. Was sonst noch?«
»Halt ihr die Tür auf.«
»Welche Tür?«
»Jede, durch die sie gehen will«, sagte Joe. »Auch die von dem Wagen, mit dem ihr fahrt.«
»Mit welchem Wagen fahren wir denn?«, wollte Eddie misstrauisch wissen. »Etwa mit meinem?«
»Nein, wahrscheinlich nehmt ihr ein Taxi.«
»Aha. Was muss ich noch beachten?«
»Wenn die Dame bei Tisch aufsteht, stehst du ebenfalls auf.«
»Und dann?«
»Kannst du dich wieder setzen.«
Eddie nahm es stirnrunzelnd zur Kenntnis. »So ein Quatsch. Wozu soll ich aufstehen, wenn ich mich gleich wieder setze?«
»Weil es höflich ist. Und wenn sie sich hinsetzt, rückst du ihr den Stuhl zurecht. Und du übernimmst die Bestellung bei Tisch.« Joe schaute auf die Uhr. »Du musst los, in zehn Minuten fängt es an. Rede in Gemeinplätzen und nicke höflich, dann kann nichts schief gehen.« Er raufte sich die Haare. »Hoffentlich klappt es.«
»Du willst ja unbedingt, dass ich da hingehe«, sagte Eddie ungerührt. »Wenn du von vorneherein der Meinung bist, dass ich es versaue, kann ich es auch lassen.«
»Nein, nein, du schaffst das schon«, widersprach Joe.
Eddie fand, dass es sich nicht so anhörte, als sei Joe hundertprozentig davon überzeugt, aber das war Joes Problem, nicht seins.
»Eins ist jedenfalls klar«, meinte Joe. Es klang fast so, als wolle er sich selbst trösten. »Du bist ein cooler Typ. Selbstsicher und gelassen. Überlegen und locker. Und du siehst klasse aus, auch wenn dir dieses Mistding von Smoking nicht passt. Alle Leute mögen dich, vor allem Frauen.«
»Mit anderen Worten, ich liege voll im Trend«, grinsteEddie. »Also dann. Ich melde mich, wenn’s vorbei ist. Und viel Spaß mit Jenny.«
*
Das Chez Ludovic war ein Nobelrestaurant am Rande der Innenstadt, das vor kurzem seinen ersten Stern erhalten hatte. Jeder, der etwas auf sich hielt, versuchte einen Tisch zu ergattern, und Samantha hatte nur deshalb eine Reservierung erhalten, weil sie noch vor acht Uhr mit dem Essen fertig sein wollte, um rechtzeitig zu der Opernaufführung zu kommen.
Samantha hatte zwei-, dreimal mit Hans hier gegessen und wusste daher, dass die Küche exquisit war. Der Koch war Franzose, aber anders als bei der klassischen Haute Cuisine waren die Portionen nicht so winzig, dass man nach dem Dessert mit knurrendem Magen vom Tisch aufstand.
Samantha wartete an dem bestellten Tisch, mittlerweile ein einziges Nervenbündel. Es war zwanzig nach sechs, und von dem bestellten Begleiter war weit und breit nichts zu sehen. Immerhin waren die Russen auch noch nicht eingetroffen. Samantha begann gerade zu hoffen, dass ihnen vielleicht – nur für diesen Abend – etwas dazwischengekommen war, als die Türe aufging und die ganze Schar auf einmal hereinplatzte. Samantha starrte die vier Männer an, die der Oberkellner nach einem kurzen prüfenden Blick in ihre Richtung zu ihrem Tisch
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