Wenn Frauen Männer buchen: Roman (German Edition)
dirigierte. Die ganze Zeit über hatte sie sich gesagt, dass die Vorstellung, die sie von ihren russischen Geschäftspartnern hegte, nichts weiter war als ein dummes Klischee. Ihre Fantasie hatte ihr Bilder vorgegaukelt, die vom bäuerlichen, rotwangigen, trinkfest daherkommenden Kolchoskumpelmit Kordjacke bis hin zum smarten, coolen, Brilli tragenden Neurussen alles beinhalteten.
Als sie genauer hinsah, stellte sie fest, dass von allem etwas dabei war. Ein großer Dicker, ein kleiner Dicker, ein kleiner Dünner, ein großer Dünner. Der große Dünne und der kleine Dicke waren eher von der smarten Sorte. Sie trugen teure Anzüge und noch teurere Uhren, und mit all dem Wet Gel in ihren Haaren sahen sie aus wie Mafiabosse in alten Spielfilmen. Der kleine Dünne trug Rolli und Jeans und derbe Schuhe. Alle vier waren in den Dreißigern, bis auf den großen Dickwanst mit Kordjacke und Halbglatze. Er war schätzungsweise Ende vierzig und allem Anschein nach der Dolmetscher und Sprecher der Truppe.
Er trat als Erster an Samanthas Tisch und übernahm die Vorstellung. »Mein Name ist Dmitri Michailowitsch Pirogow. Hier haben wir Alexej Iwanowitsch Jelisejew, hier Wassili Alexandrowitsch Jewseniuk und hier Sergej Davidowitsch Goljadkin.«
Na toll, dachte Samantha. Jetzt brauchte sie nur noch jemanden, der das mindestens zehnmal wiederholte, bis sie es sich gemerkt hatte.
»Angenehm, Samantha Kästner von der Firma Bruckner-Bad. Ich komme anstelle meines Onkels. Er ist zu seinem größten Bedauern heute Abend verhindert. Ein kleines gesundheitliches Problem. Aber ich bin persönlich bestens mit allen Einzelheiten des Geschäfts vertraut und hoffe, dass wir heute gemeinsam einen unterhaltsamen Abend erleben.« Samantha schüttelte reihum Hände, während sie ihr einstudiertes Sprüchlein aufsagte und sich gleichzeitig verzweifelt fragte, was die vielen guttural klingenden Bemerkungen, die auf sie hereinprasselten, wohl bedeuten mochten. Die Blicke, mit denen sie von allen Seiten bedachtwurde, waren dagegen leichter zu verstehen. Nicht, dass dieser Umstand Samantha beruhigt hätte. Ganz im Gegenteil. Sie kam sich vor wie eine preisgekrönte Kuh im Sonderangebot des Viehmarkts. Wo blieb nur der Bursche von der Begleitagentur?
»Da bin ich«, sagte eine Stimme hinter ihr, die ihr vage bekannt vorkam. Irritiert fuhr sie herum und hätte um ein Haar entsetzt aufgeschrien.
*
Sie hatte sich nicht getäuscht. Es war tatsächlich der Kerl, den sie diese Woche im Battista gesehen hatte. Wie hieß er gleich? Eddie. Mit diesem Mann hatte sie hier am allerwenigsten gerechnet!
Samantha schluckte, weil sie vergessen hatte, wie umwerfend er aussah. Der Smoking war mindestens eine Nummer zu klein, aber das tat seiner Attraktivität keinen Abbruch. Kein Wunder, dass er für diese Begleitagentur jobbte. Wahrscheinlich war er jeden Tag ausgebucht. Sicher gab es eine ganze Reihe von Kundinnen, die verrückt nach ihm waren. Nun, sie gehörte nicht dazu, obwohl sie nicht leugnen konnte, dass sie bei seinem Anblick gehörige Erleichterung verspürte. Er hatte etwas an sich, etwas Solides, Kraftvolles, Bezwingendes, das die Aufmerksamkeit der Russen auf beruhigende Art und Weise von ihr ablenkte.
»Schön, dass du da bist«, sagte Samantha, während sie ihn angestrengt anlächelte.
»Ganz meinerseits«, meinte Eddie höflich, in der Hoffnung, dass das eine passende Bemerkung war.
Samantha räusperte sich und wandte sich an die Russen. »Das ist Eddie … Eddie …«
»Eddie Konstantin«, meinte Eddie verbindlich, während er nacheinander die ausgestreckten Hände ergriff.
Samantha starrte ihn ungläubig an. Ob das sein Künstlername war? Oder hieß er wirklich so wie dieser Schauspieler, der in den Sechzigerjahren mit Actionrollen bekannt geworden war?
Der große Dünne fragte etwas auf Russisch, worauf Dmitri sich an Eddie wandte.
»Was machen Sie?«, fragte Dmitri.
»Er ist mein … mein …« Samantha überlegte blitzartig, wofür sie sich entscheiden sollte. Mitarbeiter? Angestellter? Assistent?
»Verlobter«, sagte Eddie aufs Geratewohl. Er warf ihr einen fragenden Blick von der Seite zu und zuckte die Achseln, als er sah, dass sie entsetzt nach Luft schnappte. Was hätte er denn sonst sagen sollen? Freund? Lover? Sie konnte unmöglich von ihm erwarten, dass er das von allein wusste. War er ein Gedankenleser oder was? Eddie schaute Samantha an und zuckte kaum merklich die Achseln. Pech gehabt, Süße .
Doch Dmitri hatte offenbar
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