Wenn Frauen nicht mehr lieben
haben keine Stimme erhalten. Von der Frauenbewegung sind sie oftmals allein gelassen und verachtet.
A. Der Mythos vom armen Opfer »Frau«
Von Feministinnen besonderer Couleur jahrelang unterstützt, haben Frauen selbst daran nicht mehr zu zweifeln begonnen, an der Überzeugung, Frauen seien grundsätzlich überall benachteiligt – von der Natur (Menstruation, Schwangerschaft, Geburt, Menopause etc.); in der Gesellschaft, in ihrer Geschlechtsrolle, im Beruf, in der Beziehung zu Männern etc. Niemand hat es so schwer wie eine Frau. Kriegt sie diese Benachteiligungen nicht rechtzeitig in den Griff, kommt sie aus den »Frauenlei-den« nicht mehr heraus. Immer ist sie ein Opfer: von gesellschaftlichen Umständen sowie ein Opfer der Natur.
Und so hat es zu bleiben. Wehe dem, der das Gegenteil zu behaupten wagt.
Die gegenteilige Betrachtungsweise, die der Wahrheit ein gutes Stück näher kommen dürfte, daß nämlich die Frau über Potenzen verfügt, die vielleicht eher von Vorteil als von Nachteil sind, gehört wiederum zu den absoluten Tabuthemen unter den Frauen, die weiterhin »tapfer«
gegen den Mann zu kämpfen gedenken. Oft wird den Frauen so viel abgesprochen und »abgedacht«, was der Erkenntnis echter weiblicher Identität weit mehr im Weg steht als gewisse gesellschaftliche Verhältnisse in unserer westlichen Kultur. So stehen nicht die Männer den Frauen im Weg, sondern die Frauen sich selbst, in der Schaffung solch fragwürdiger Frauenmythen und in der ge-109
genseitigen Behinderung nach Erfolg und Macht im Alltag.
Wenn Männer die Frauen unbewußt weniger »mächtig«
wahrnehmen müssen, als sie es in der Tat sind, so machen es die Frauen hier den Männern nach. Vielleicht ist das dahinterliegende unbewußte Motiv bei beiden Geschlechtern ein und dasselbe, die Entthronung der Alma Mater aus der frühen Kindheit, die sie damals notgedrungen und real als die Urmacht an sich selbst erlebt haben.
Das Opferthema erfreut sich einer ungebrochenen Beliebtheit. Man könnte meinen, es handle sich um einen kollektiven Wiederholungszwang, die ununterbrochene Betätigung an der Klagemauer in Richtung der Männer, die oft nur als unbefriedigender Mutterersatz zu dienen haben. Die Frauenbewegung tut heute kaum noch mehr, als mit ihren abgewetzten Klageliedern offene Türen einzurennen. Die Frauenbewegung aber stagniert und läuft sich tot, wenn sie die immergleichen Klagen nicht in präzis formulierte frauenbezogene Anliegen verwandelt.
Sie tritt auf der Stelle, wenn sie die Lösung ihrer Probleme von der Männerwelt verlangt – die mittlerweile mit dem vor ihre Haustür gekehrten Frauenunrat vollauf beschäftigt und nahe an der Erschöpfung sind –, statt sie selbst aktiv an die Hand zu nehmen und die Frauen in ihren Anliegen ernsthaft einmal wirklich anzuhören. Eine »Face-to-Face«-
und eine Selbstbefragung echter weiblicher Anliegen, Leidenschaften und Machtansprüche – jenseits jeglicher Opferposition und auch jenseits einer Männernachahmung
– gäben der Emanzipationsbewegung frischen Wind und würden neue Türen öffnen.
Darüber hinaus fehlen gemeinsame, identitätsstiftende Frauenleitbilder. Die zentralen Fragen eines weiblichen Lebensentwurfes, Mutterschaft – Familie – Beziehungen –
Beruf – sind bis heute nicht befriedigend angegangen 110
worden. Weibliche Identität muß neu gedacht – und vor allem genuin frauenbezogen und frauengerecht – bestimmt werden.
B. Der Mythos von der dummen Hausfrau
und Mutter
Wir müssen die Familie zerstören … soll Simone de Beauvoir vor mehr als zwanzig Jahren gesagt haben. Was bedeutet, daß die Frau aus ihren gewohnten Bahnen ausbrechen, sich in öffentlichen Bereichen betätigen und der Familie einen Nullwert geben soll. Auf keinen Fall dürfe sie bei den Kindern im Haus bleiben. Eine Frau, die dies tut, arbeitet gegen die Emanzipation und gegen ihre Geschlechtsgenossinnen. Hausarbeit und Kindererziehung tragen zu Verdummung und Eingleisigkeit bei. Für die Umwelt uninteressant und langweilig geworden, wird die Frau nicht nur von innen, sondern auch von außen in die Isolation getrieben. Die Depression ist dann auch gleich vorprogrammiert. Diese Aussagen basieren nicht etwa auf empirischen Umfragen unter Müttern, sondern sind reine Vermutungen und müssen deshalb als Propagandamittel gewisser feministischer Kreise angesehen werden. Man kann meinen, daß dieses pervers anmutende Projekt – die Zerstörung der Familie – nun tatsächlich
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