Wenn Frauen nicht mehr lieben
auseinandergesetzt.
Solange sie davon überzeugt ist, sie müsse es dem Mann nachmachen, kann die Frau ihren Platz dem Mann gegenüber nicht finden und diesen Ort auch nicht aus einer kräftigen weiblichen Position und Identität heraus vertreten.
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5. Der weibliche Wille
Der weibliche Wille ist eine in der Allgemeinen Psychologie und in der Psychoanalyse leider allzu vernachlässigte Dimension. Er entwickelt sich in der Reinlichkeits- oder Trotzphase der frühen Kindheit. Das will ich, das will ich nicht. Um ja sagen zu können, ist es ratsam, das Nein gelernt zu haben. Um ein Wortspiel zu gebrauchen. Um sich zu öffnen, muß man sich auch schließen können. Um zu wissen, was man will, muß man wissen, was man nicht will. Kleine Mädchen werden früher als Jungen zur Reinlichkeit erzogen, sie werden von den Müttern früher als Jungen gezwungen, »etwas« herzugeben. Es ist auch wohl so, daß kleinen Mädchen eher der Wille gebrochen wird als kleinen Jungen. Mädchen werden in der Regel in der Schulklasse weniger oft drangenommen als Jungen, notabene sogar dann, wenn die Klasse eine Klassenlehre-rin hat. Christiane Olivier –
eine französische
Psychoanalytikerin – hat aufgezeigt, daß kleine Mädchen weniger lang gestillt und auch weniger oft und nicht so strahlend angeschaut werden wie Jungen. Weibliche Ablehnung der Weiblichkeit, Neid und Rivalität beginnen demnach schon an der Wiege.
Der weibliche Wille setzt sich mütterlicherseits dem kleinen Mädchen gegenüber auf imposante Weise durch.
Die gleichen Mütter beklagen sich dann jedoch wiederum darüber, wie schwer es für uns Frauen ist, sich in der Männerwelt durchzusetzen. Wer hätte es anders erwartet?
Auch hier sind wiederum die Männer schuld. Die Frauen werden entschuldigt, indem man behauptet, sie hatten einen Patriarchen internalisieren müssen. Die diskrimi-nierende Haltung ihren Töchtern gegenüber käme also 117
nicht von ihnen selbst, sondern sei nolens volens übernommen worden, natürlich vom Mann. Wie schwer muß es für Frauen sein, zu ihren eigenen »Fehlern« und Schwächen zu stehen.
Der zurechtgestutzte Wille des kleinen Mädchens – ein Beweis dafür, daß weibliche Konkurrenz im Keim erstickt werden soll – konnte denn auch eher als die veraltete Patriarchatsthese an der Wurzel aller weiblichen Selbstbe-hauptungsprobleme stehen. Eigentlich wäre es doch so.
Man muß denjenigen lieben, der man sein will. Das Mädchen muß die Mutter lieben können, wenn es ihr gelingen soll, ihre Position an der Seite eines Mannes zu ergreifen. Wenn die Mutter ihm aber beim Differenzie-rungsprozeß dieser Strukturen nicht behilflich ist, dem Mädchen gar den eigenen Willen bricht, muß es zwangsläufig zu einer Ablehnung der Weiblichkeit kommen, ein Phänomen, das heutzutage allgegenwärtig ist, von Frauenseite wohlgemerkt.
Das Mädchen wird also seine Weiblichkeit ablehnen.
Damit es niemand merkt und sie selbst auch nicht, wird sie diese Ablehnung erfolgreich verdrängen und sich ein Ventil woanders suchen, beim Mann. Nun ist die eigene Mutter geschützt – die innere Mutter ist hier gemeint, nicht die reale –, und die Konflikte brodeln nicht mehr im eigenen Innern, sondern können im Außen bekämpft werden. Man muß sich nicht innerlich mit dem eigenen Mutterbild auseinandersetzen und kann sich weiterhin weiblich in seiner Haut fühlen. Frau kann sogar kämpfen für mehr Weiblichkeitsrespekt, dann hat sie die höchste Stufe einer erfolgreichen Tarnung erreicht. Eine der praktischsten Formen kurzfristiger Konfliktlösungen, die sogar noch gesellschaftlich unterstützt und sozial akzeptiert werden, der unerbittliche Kampf gegen den
»frauenfeindlichen« Mann, dem man seine Männlichkeit 118
austreiben muß. Überall findet die Frau Verständnis für ihre Externalisierungsmanöver, wie die Tiefenpsycho-logen diesen Abwehrmechanismus nennen. Und der Mann eignet sich bestens für die Projektion eigener innerer Macht- und Ohnmachtskonflikte, die aus einer unter-entwickelten, überharten oder unflexiblen Willensstruktur hervorgehen.
Die anale Phase ist für das Mädchen – und damit für die spätere Frau – eine Quelle von Konflikten ersten Ranges.
Auffällig ist, daß das Mädchen im allgemeinen früher die Kontrolle über die Darmmuskulatur gewinnt als der Junge, auch ohne Druck von Seiten der Mutter. Die Gründe hierfür sind wohl nicht nur in der unterschiedlichen Erziehung beider Geschlechter zu suchen, sondern im
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