Wenn Frauen nicht mehr lieben
miteinander zu arbeiten oder einfach nur zu sein?
In der Tat ist der Neid ein Wesenszug der Frau, ein Charakteristikum weiblicher Affektivität, der dennoch gern von Frauen geleugnet wird. Er ist als Affekt so unangenehm kränkend, daß er – kaum tritt er als Gefühl auf – bekämpft werden muß. Er wird verdeckt, verbogen, projiziert, psychoanalytisch gesprochen abgewehrt. Das zeigt auch die ganze Geschichte um die in Frauenkreisen so gern heraufbeschworene weibliche Solidarität, die mehr ein Wunschtraum denn eine Realität sein dürfte. Diesen Wunschtraum verdanken wir der Idealisierung des Weiblichen, wobei – nach den Gesetzen des Unbewußten
– die Idealisierung des Einen auch immer dessen Kehrseite verdeckt: die Entwertung.
Denn die Kehrseite sieht auch bei Frauen oft ganz anders aus. Wie sonst wäre es zu erklären, daß über Jahre andauernde feste und scheinbar unzerrüttbare dicke Frauenfreundschaften eines Tages – aus heiterem Himmel und ohne nachvollziehbaren Grund – in die Brüche gehen.
Daß langjährige Frauenfreundschaften in Frauenfeind-schaften umkippen, die dann oft bis zum Sankt 127
Nimmerleinstag aufrechterhalten bleiben. Eine Versöhnung oder gar eine echte Auseinandersetzung findet nur in den seltensten Fällen statt. Oft ist der Auslöser des großen Bruchs nur eine Kleinigkeit, eine vergessene Geburtstags-karte zum Beispiel, oder eine Bemerkung, die man sich früher durchaus leisten konnte, plötzlich aber nicht mehr.
Der Himmel weiß warum. Die innerweiblichen Neidver-hältnisse haben eben nicht immer denselben
Gefährlichkeitspegel. Es wird oft nicht mit derselben Elle gemessen. Das verleiht Frauenfreundschaften eine Dimension trüblicher Unberechenbarkeit. Wo die Freundin früher tolerant über etwas Unerfreuliches hinwegsehen konnte, ist sie plötzlich nicht mehr ansprechbar. All die negativen Neidgefühle, die sie früher noch ertragen konnte, erhalten plötzlich – anläßlich einer geringfügigen Kränkung, beispielsweise eines vergessenen Anrufs – eine Dimension, die einem nicht mehr zu löschenden Haus-brand nahekommt. Sie sind wie Öl im Feuer des rivalisierenden Neides mit der Freundin. Der Neid selber ist oft das nicht zugegebene Motiv einer schon lange zuvor bestehenden Spannung, die nun endgültig ans Tageslicht kommt, allerdings unter einem ganz anderen Vorwand.
Und das Verhältnis scheint unwiderrufbar zerrüttet, weil der Neid nicht aufhebbar ist. Es sei denn, die beneidete Freundin erleidet einen schweren Schicksalsschlag, was sie wieder ein paar Stufen von der Leiter herunterholt und dem Neid einen kräftigen Dämpfer gibt. Jetzt kann man erneut miteinander reden, denn nun ist die andere – wenn auch nur in der eigenen Vorstellung – geschwächt und nicht mehr länger ein Objekt des Neides. Und schließlich will sich die Frau auch den heimlichen Genuß der Schadenfreude nicht entgehen lassen, gepaart mit einem wieder erwachenden Interesse, das aussieht, als wäre die alte Liebe zwischen den Frauen wieder erblüht. Oft ist es 128
aber nur Ausdruck des Wunsches, den eigenen Neid durch die eingetretene Lebensniederlage der Dauerfreundin nun endgültig besiegt zu sehen.
Frauen sprechen über vieles, über Neid eigentlich so gut wie nie. Es ist auch nicht angebracht, denn es wäre sehr verletzend. So ist es schon viel, wenn die betreffende Frau sich selbst Rechenschaft über ihre Neid-, Triumph- und Rachegefühle der anderen Frau gegenüber geben kann.
Läßt sie diese Gefühle bei sich zu, ohne sie ausleben zu müssen – ist sie in ihrer Weiblichkeitsentwicklung schon sehr weit fortgeschritten. Es kann ihr dann nicht mehr viel passieren. Maßlos enttäuscht über eine Freundin wird sie nicht mehr sein, denn sie kennt die weibliche Psyche.
Viele Frauen aber benötigen eine jahrelange Psychotherapie oder Psychoanalyse, bis sie sich eingestehen können, daß sie unter Neidproblemen leiden, wie andere unter Migräne oder Depressionen. Bis sie realisieren, daß sie sich damit in ihrem Leben sehr behindert haben, sind leider oft viele kostbare Jahre vorbeigeflossen.
Sogar namhafte Feministinnen müssen mittlerweile zugeben, daß ihre Illusionen bezüglich einer starken Frauenbewegung, sprich Frauensolidarität, endgültig im Winde zerschlagen sind. Die nackte Realität ist nicht länger zu leugnen. Weiblicher Neid und weibliche Rivalität setzen der Phantasie einer allgemeinen weiblichen Solidaritätshaltung harte Grenzen. Das Einmaleins feministischer
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