Wenn Frauen nicht mehr lieben
befriedigt, damit die Mutter schnell wieder ihre Ruhe hat, die sie selbstverständlich für ihren so wichtigen Beruf braucht. Und sie braucht auch Erholung in der Freizeit, damit sie anderntags im Leistungskampf gegen die Männer wieder fit ist. Das Kind bekommt keine Chance, die für später so lebenswichtige Frustrationstoleranz zu erlernen. Mit anderen Worten, es lernt das Warten und den Verzicht nicht. Damit aber wird es zu einem hervorragenden Konsumenten für unsere moderne Erlebnis- und Nachfragegesellschaft. Die Gier nimmt kein Ende, und die Seele wird mit modernen Erlebnisgütern zugestopft. Die bis zum Bersten gefüllten Kinderzimmer sind das beste Zeugnis für diese chaotischen Zustopf-phänomene.
Baby und Karriere sind nur eine Frage der Organisation.
Alles wird von den managementbegabten Müttern unter einen Hut gebracht. Und Kinderkrippen sind heute schon so zahlreich, daß einem gottseidank das Allermeiste abgenommen wird. Dafür zahlt man viel, und doch scheint die Rendite unter dem Strich immer noch positiver, als wenn man zu Hause bleiben würde. Von den Kindern aber 135
nehmen solche gestreßten Mütter selten wirklich echt Notiz. Natürlich versorgen sie sie mit ihren körperlichen Bedürfnissen, von der morgendlichen Frühstücksmilch bis zum abendlichen Zähneputzen. Ein Gutenachtkuß liegt da auch noch drin. Aber wehe, wenn das Kind noch eine Geschichte erzählt bekommen möchte. Dann stellt man ihm ein Tonband neben das Bett und wünscht ihm eine gute Nacht. Einsam ist hier nicht nur das Kind, auch die Eltern ahnen nicht, was ihnen da alles entgeht.
Eine Frau kann heute auf keinen Fall auf ihren geplanten Aufstieg verzichten. Nach der Geburt wird schnell wieder gearbeitet, möglichst ganztags, weil man sonst den Anschluß verpassen konnte. Daß man den Anschluß an das Kind verpaßt, ist nicht von Interesse. So wird das Kind frühmorgens in die Kinderkrippe gebracht oder zu einer Tagesmutter. Abends wird es wieder abgeholt. Finanziell besser gestellte Frauen erlauben sich eine Kinderfrau, die nach Hause kommt. Und doch sind diese Kinder oft absolute Wunschkinder. Lange hat man es sich überlegt, bevor man den entscheidenden Schritt der bewußten Zeugung vollzog. Man war zwar wegen der beruflichen Aufstiegsmöglichkeiten im Blick auf eine Schwangerschaft immer im Konflikt und hat deshalb das Kinder-kriegen so lange wie möglich auf später verschoben. Bis die biologische Uhr der Frau immer lauter tickte.
»Wer steckt zurück? Mutter oder Vater?« lautet der Titel eines Artikels in einer namhaften deutschen Frauenzeitschrift. Die wahre Antwort, die nirgendwo steht und die keiner auszusprechen wagt, das Kind. Das Kind steckt immer zurück, wenn die Mutter im Vorschulalter ihrer Kinder auswärts arbeitet. Alle sprechen von der Freiheit der Frau, von ihren Freiheits- und Entwicklungsrechten, niemand aber spricht von den Rechten eines Kleinkindes auf kontinuierliche, ihm qualitativ angemessene Betreuung 136
und Stimulation seiner Entwicklung. Das kommt erst unter ferner liefen, wenn überhaupt. Es genügt, wenn man die Kinder anzieht, ihnen genug zu essen gibt und sie vor Dummheiten bewahrt. Erziehung ist heute zur Aufsicht vor Gefahren geschrumpft. Gemeint sind natürlich hand-feste äußere, für den Moment unsichtbare Gefahren, die körperliche Verletzung im Haushalt, auf dem Spielplatz und der Straße. Wieder diese cartesianische Trennung von Körper und Geist/Seele. Man kreidet sie zwar der modernen Medizin an, sucht alternative Naturheilärzte auf, aber vor der eigenen Tür wird deshalb noch lange nicht gekehrt. Die seelischen Verletzungen eines Kindes sind da eher schon Ballast. Und da man sie ohnehin mit den ungeschulten und unaufmerksamen Augen einer
Mutter/eines Vaters lange Zeit vor Ausbruch der Krise nicht erkennen kann, sind sie auch leicht wegzuleugnen.
Die Väter sollen auch mal was für die Kinder tun, hört man allenthalben. Sie sollen zugunsten der Frauen auf ihre berufliche Entwicklung verzichten oder zurückstecken, denn Frauen hätten schließlich das genau gleiche Recht, sich beruflichen Erfolg zu holen. Einer muß da zurückstecken. Warum nicht einmal die Männer? Eine berechtigte Frage. Nur wird eben kaum noch ernsthaft gefragt und nach einer für das Kind realitätsgerechten Antwort gesucht. Es wird gefordert, daß der Mann die Kinder betreuen und erziehen soll, ungeachtet dessen, ob er dafür geeignet ist – weil niemand mehr nach den echten Bedürfnissen eines
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