Wenn Frauen zu sehr lieben
gewillt sein, Sie an eine geeignete Selbsthilfegruppe zu verweisen, ja sogar die Teilnahme an dieser Gruppe zu einem obligatorischen Bestandteil Ihrer Behandlung erklären.
Ich selber zum Beispiel arbeite nur dann mit einer Co-Alkoholikerin, wenn sie neben der Therapie auch Mitglied bei Al-Anon wird. Ist sie dazu nach mehrmaliger Teilnahme an den Gruppensitzungen nicht bereit, dann treffe ich mit ihr die Vereinbarung, die therapeutische Arbeit nur dann fortzusetzen, wenn sie sich doch für das Al-Anon-Programm entscheidet. Langjährige Erfahrung hat mich gelehrt, dass Co-Alkoholiker, die sich nicht bei Al-Anon engagieren, nicht gesund werden. Stattdessen wiederholen sie ihre alten Verhaltensmuster und bleiben auch ihren verhängnisvollen Denkmustern verhaftet. Die Therapie allein vermag diesen Prozess nicht umzukehren. Wenn eine Frau jedoch gleichzeitig zur Therapie und zu Al-Anon geht, schreitet ihre Genesung viel schneller voran; diese beiden Behandlungsformen ergänzen einander sehr gut.
Ihre Therapeutin sollte die Arbeit mit Ihnen von der vergleichbaren Bedingung abhängig machen, dass Sie sich einer geeigneten Selbsthilfegruppe anschließen. Denn sonst versetzt sie Sie möglicherweise in die Lage, über Ihre Lebensumstände jammern zu können, ohne von Ihnen zu verlangen, dass Sie alles Ihnen Mögliche tun, um sich selbst zu helfen.
Sobald Sie eine Therapeutin gefunden haben, bei der Sie gut aufgehoben sind, müssen Sie kontinuierlich zu ihr gehen und sich an ihre Empfehlungen halten. Niemand hat je sein jahrzehntealtes Beziehungsmuster nach ein oder zwei Therapiesitzungen geändert.
Die Hilfe, die Sie in Anspruch nehmen, mag Geld kosten – oder auch nicht. Viele Einrichtungen haben eine gleitende Gebührenskala; Sie bezahlen nur so viel, wie Sie aufbringen können. Und gerade in solchen Einrichtungen finden sich oft sehr kompetente und engagierte Mitarbeiter. Außerdem muss der teuerste Therapeut nicht unbedingt die beste Behandlung bieten. Erkundigen Sie sich auf jeden Fall bei Ihrer Krankenkasse, ob, unter welchen Voraussetzungen und in welcher Höhe sie Therapiekosten übernimmt. Denken Sie daran, dass Sie nach einer Person suchen, die über Erfahrung und Sachkenntnis verfügt und in deren Gegenwart Sie sich wohl fühlen. Vertrauen Sie Ihren Gefühlen; suchen Sie – wenn es sein muss – auch mehrere Therapeuten auf, um eine(n) zu finden, der/die für Sie richtig ist.
Therapie ist kein absolut notwendiger Teil Ihres Genesungsprozesses. Die falsche Therapie wird Ihnen eher schaden als nützen. Aber jemand, der versteht, was die Krankheit «Zu-sehr-Lieben» ausmacht, kann von unermesslicher Hilfe für Sie sein.
Hilfe in Anspruch zu nehmen muss nicht heißen, dass Sie gewillt sind, Ihre derzeitige Beziehung – falls vorhanden – zu beenden. Eine derartige Entscheidung ist während Ihres Genesungsprozesses überhaupt nicht erforderlich. Während Sie die einzelnen Schritte befolgen – vom ersten bis zum zehnten –, wird sich das Problem mit Ihrer Beziehung von selbst regeln – so oder so. Viele Frauen, die mich aufsuchen, wollen sich von ihrem Partner trennen, bevor sie innerlich dazu bereit sind, was nur bedeutet, dass sie entweder zu ihm zurückkehren oder eine neue Beziehung eingehen, die ihnen gleichermaßen schadet. Wenn sie diesem Programm folgen, so verändert sich auch ihre Einstellung der Beziehung gegenüber: Beim Partner zu bleiben ist dann nicht mehr
das
Problem, ihn zu verlassen nicht mehr
die
Lösung. Stattdessen wird die Beziehung in die vielen Fragen miteinbezogen, die im Gesamtzusammenhang ihres Lebens behandelt und geklärt werden müssen.
Warum ist dieser Schritt notwendig?
Er ist notwendig, weil Sie schon so vieles versucht haben, aber keine Ihrer Bemühungen auf lange Sicht etwas ausgerichtet hat. Auch wenn hin und wieder eine kurzzeitige Entlastung eingetreten ist – insgesamt verschlechtert sich die Situation unaufhaltsam. Erschwerend kommt hinzu, dass Sie vermutlich überhaupt nicht mehr wahrnehmen können, wie es wirklich um Sie steht, weil Sie über einen starken Verdrängungsmechanismus verfügen. All das gehört zum Wesen Ihrer Krankheit. Ich habe unzählige Male von Klientinnen gehört, ihre Kinder würden die familiären Probleme nicht mitbekommen, von den nächtlichen Streitereien nicht aufwachen. Dies ist ein typisches Beispiel für Verleugnung als Mittel des Selbstschutzes. Müssten sich diese Frauen der Tatsache stellen, dass ihre Kinder wirklich
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