Wenn Frauen zu sehr lieben
eine solche Frau vielleicht von Essen, Alkohol oder einer anderen Droge abhängig. Vielleicht kommt es zu Verdauungsstörungen und/oder Magengeschwüren, zu verschiedenen Hautproblemen, Allergien, überhöhtem Blutdruck, Schlaflosigkeit, zu Verstopfung oder Durchfall oder beidem abwechselnd. Eventuell treten auch Depressionen auf; gibt es – wie das so häufig bei Frauen, die zu sehr lieben, der Fall ist – bereits eine entsprechende Vorgeschichte, so kommt es jetzt möglicherweise zu ausgedehnten Phasen mit alarmierend massiven Depressionen.
Wenn die stressbedingten Störungen so stark geworden sind, dass der Körper allmählich zusammenbricht, dann ist die chronische Phase erreicht, als deren wichtigstes Kennzeichen die weitgehende Beeinträchtigung des Denkvermögens gelten muss: Die Frau ist im Grunde nicht mehr fähig, ihre Situation realistisch einzuschätzen. Beziehungssucht wird immer auch von einem Wahn begleitet, der sich im Laufe der Zeit verstärkt und in der chronischen Phase vollends zum Ausbruch kommt. Deshalb kann sie mittlerweile auch keine Alternativen mehr zu ihrem gegenwärtigen Leben erkennen. Viele ihrer Aktivitäten sind eigentlich
Reaktionen
auf ihren Partner – selbst Liebesaffären, Arbeitsbesessenheit, ausschließliche Konzentration auf andere Interessen oder das aufopferungsvolle Engagement für eine «gute Sache», wobei sie wiederum versucht zu helfen, das heißt andere Menschen zu kontrollieren. Selbst ihre Hinwendung zu anderen Menschen und anderen Interessen außerhalb ihrer Beziehung ist mittlerweile Teil ihrer Besessenheit, ihrer Obsession.
Sie ist auf Menschen neidisch, die nicht solche Probleme haben wie sie; zunehmend lässt sie ihre Frustration an den Menschen in ihrer Nähe aus, zunehmend wird sie ihrem Partner und oft auch ihren Kindern gegenüber gewalttätig. Möglicherweise kommt es zu diesem Zeitpunkt zu Selbstmorddrohungen oder sogar -versuchen: als Ausdruck des verzweifelten Bemühens, den Partner doch noch mit Hilfe von Schuldgefühlen zu kontrollieren. Sowohl sie als auch ihre Angehörigen sind mittlerweile seelisch, häufig genug auch körperlich schwer krank.
Vielleicht denken Sie einmal kurz darüber nach, was es für ein Kind bedeuten mag, wenn seine Mutter unter der Krankheit «Zu-sehr-Lieben» leidet. Viele der Frauen, deren Geschichten ich in diesem Buch vorgestellt habe, wuchsen unter solchen Bedingungen auf.
Wenn eine Frau, die einst zu sehr geliebt hat, endlich erkennt, dass all ihre Versuche, all ihre Bemühungen, den Partner zu ändern, fehlgeschlagen sind, dann kann sie vielleicht auch einsehen, dass sie Hilfe braucht. Sucht sie beispielsweise einen Therapeuten auf, steckt dahinter häufig ein allerletzter Versuch, durch die Unterstützung eines professionellen Helfers doch noch ihren Mann zu ändern. Wenn die Person, an die sie sich wendet, ihr helfen kann zu erkennen, dass
sie
diejenige ist, die sich ändern muss, dass ihre Genesung sich in ihr selbst vollziehen muss – dann ist der
entscheidende
erste Schritt getan.
Und dieser Schritt ist so wichtig, weil «Zu-sehr-Lieben» eine fortschreitende Krankheit ist, was die letzten Ausführungen noch einmal deutlich gemacht haben. Eine Frau wie Margo geht ihrem Tod entgegen. Er mag durch eine stressbedingte Störung wie Herzversagen, Schlaganfall oder durch ein anderes körperliches Leiden in Zusammenhang mit Stress eintreten. Vielleicht stirbt eine solche Frau aber auch an der Gewalttätigkeit, die zu einem Teil ihres Lebens geworden ist, oder bei einem Unfall, der nicht passiert wäre, wenn ihre Obsessionen sie nicht völlig in Anspruch genommen hätten. Vielleicht stirbt sie innerhalb kurzer Zeit, vielleicht siecht sie viele Jahre lang dahin. Was auch immer die Todesursache sein mag – ich möchte wiederholen, dass «Zu-sehr-Lieben» tödlich sein kann.
Kehren wir noch einmal zu Margo zurück. Verstört durch die Wendung, die ihr Leben genommen hat, sucht sie zu diesem Zeitpunkt Hilfe, wenn auch halbherzig. Für Margo gibt es nur zwei Alternativen. Es ist notwendig, dass ihr diese beiden Alternativen deutlich aufgezeigt werden, denn sie muss sich für die eine oder die andere entscheiden.
Sie kann weiterhin nach dem perfekten Partner suchen. Bei ihrer Vorliebe für unzugängliche, nicht vertrauenswürdige Männer wird sie auch in Zukunft immer wieder genau solche Männer kennenlernen und mit ihnen Beziehungen eingehen. Sie kann sich aber auch der schwierigen und anspruchsvollen Aufgabe
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