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Wenn Frauen zu sehr lieben

Wenn Frauen zu sehr lieben

Titel: Wenn Frauen zu sehr lieben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Norwood
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Identitätskrise durchlebt. Kein Wunder: Sie wurde sofort schwanger und schuf sich dadurch wiederum eine Rolle, in der sie fürsorglich sein konnte. Und Sean übernahm die Rolle des häufig Abwesenden – genau wie ihr Vater.
    Selbst als sie getrennt lebten, schickte sie ihm Geld und trat damit in Konkurrenz zu seiner Mutter: Sie wollte die Frau sein, die am besten für ihn sorgen konnte. (Mit ihrer eigenen Mutter hatte sie diesen Wettstreit um ihren Vater ja schon gewonnen.)
    Als sie sich von Sean getrennt hatte, traten Männer in ihr Leben, die ihrer Mütterlichkeit nicht bedurften, die im Gegenteil sogar versuchten, ihr die Hilfe anzubieten, die sie tatsächlich brauchte – aber Melanie konnte mit diesen Männern gefühlsmäßig nichts anfangen. Sie fühlte sich nur wohl, wenn sie Fürsorge geben konnte.
    Die starke Bindung zwischen Melanie und Sean hätte nie über Sexualität erreicht werden können; verantwortlich dafür war vielmehr sein Bedürfnis nach ihrer Fürsorge. Seans Untreue spiegelte im Grunde nur ihre eigenen Kindheitserfahrungen wider: Die fortschreitende Krankheit hatte aus Melanies Mutter mit der Zeit eine immer verschwommenere, kaum mehr wahrnehmbare «andere Frau» in einem Hinterzimmer gemacht, die seelisch und körperlich aus Melanies Leben und ihren Gedanken verbannt war. Melanie «bewältigte» die Beziehung zu ihrer Mutter, indem sie Abstand hielt und nicht über sie nachdachte. Später, als Sean sich in jemand anderen verliebte, erschien Melanie auch diese Frau verschwommen und weit entfernt, keinesfalls als eine Bedrohung für ihre eher asexuelle, aber praktische Partnerschaft – wiederum eine Parallele zu ihrer früheren Vaterbeziehung. Zudem kam Seans Verhalten für sie durchaus nicht überraschend: Schon vor ihrer Heirat suchte er die Gesellschaft anderer Frauen, während es Melanie erlaubt war, sich um seine praktischen, weniger romantischen Bedürfnisse zu kümmern. Melanie hatte all das gewusst und ihn trotzdem geheiratet.
    Nach der Hochzeit begann sie, mit ihrer Willenskraft und Liebe dafür zu kämpfen, dass er sich änderte. Damit kommen wir zur dritten Konsequenz der Tatsache, dass Melanies Kindheitswünsche und -phantasien in Erfüllung gegangen waren: ihren Glauben an die eigene Allmacht.
    Kleine Kinder halten normalerweise sich selbst, ihre Gedanken und Wünsche für sehr mächtig. Alle bedeutsamen Ereignisse in ihrem Leben scheinen davon abzuhängen. In der Regel verhilft die Realität dem kleinen Mädchen zu der Erkenntnis, dass es nicht zur Lebensgefährtin seines Vaters werden kann, wie leidenschaftlich es sich dies auch gewünscht haben mag. Ob es nun will oder nicht – irgendwann muss es die Tatsache akzeptieren, dass die Mutter die Gefährtin des Vaters ist. Dies ist eine frühe, lehrreiche Erfahrung: Das Mädchen kann durch seine Willenskraft nicht immer erreichen, was es sich am meisten wünscht. Diese Erfahrung trägt dazu bei, den Glauben des Mädchens in die eigene Allmacht abzubauen und sich damit abzufinden, dass sein persönlicher Wille Grenzen hat.
    Für die kleine Melanie jedoch wurde der größte Wunsch Wirklichkeit. In vielerlei Hinsicht ersetzte sie tatsächlich ihre Mutter. Offenbar durch die magische Kraft ihrer Wünsche und ihres Willens gewann sie ihren Vater für sich. Getragen von dem unerschütterlichen Glauben an diese Macht ihres Willens versuchte sie später, alle möglichen schwierigen und emotional belasteten Situationen auf dieselbe magische Art zu meistern. Die Herausforderungen, denen sie sich klaglos stellte, bewehrt nur mit der Kraft ihres Willens, bestärkten sie immer wieder aufs Neue in dieser Einstellung: ein unzuverlässiger, unreifer und untreuer Ehemann, die Belastung, praktisch allein drei Kinder großzuziehen, ernstliche Geldschwierigkeiten und eine anspruchsvolle Ausbildung, gekoppelt mit einer Vollzeitarbeit.
    Sean wiederum bot Melanie den perfekten Anlass für ihre Bemühungen, einen anderen Menschen durch ihre Willensstärke zu verändern. Zudem entsprach er auch den anderen Bedürfnissen, die sie entwickelt hatte, weil sie zu früh erwachsen sein musste: Er gab ihr weitgehend Gelegenheit, zu leiden, zu warten und sexuellen Kontakt zu vermeiden, während sie ihre Fürsorglichkeit voll ausleben konnte.
    Mittlerweile dürfte klar geworden sein, dass Melanie keinesfalls das unselige Opfer einer unglücklichen Ehe war. Im Gegenteil: Jeder der beiden Partner erfüllte die wichtigsten seelischen Bedürfnisse des anderen. Sie

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