Wenn Gottes Kinder schweigen - Livermore, C: Wenn Gottes Kinder schweigen - Hope Endures
für uns alle war.
Während der ersten Tage ihres Besuchs sprach Mutter zu uns als Gruppe über unsere Lebensweise. Ich hörte ihr verzückt zu. Ihr Gott war nah, verborgen in jedem von uns, in der Eucharistie, in den scheinbar zufälligen Tagesereignissen und in den Armen. Ich empfand mich als Teil einer privilegierten Gruppe. Das Leben sollte einfach und
im Gebet gelebt werden. Nichts konnte schiefgehen, da alles, sowohl das Gute als auch das Schlechte, zu unserem Besten zusammenwirkte. Leid und Entbehrungen waren reinigend und, wenn sie in Verbindung zu Christus standen, erlösend. Für Mutter gab es nichts Zufälliges auf der Welt; aller unterlag der Kontrolle Gottes. Ihr Motto lautete: »Dein Wille geschehe.« Und sie verstand darunter, dass sie alles akzeptierte, was geschah, weil Gott dies entweder so wollte oder zuließ. Sie stützte ihr Motto auf die Worte Jesu im Garten Gethsemane: »Vater, willst du, so nimm diesen Kelch von mir; doch nicht mein, sondern dein Wille geschehe!« (Lukas 22,42)
Als die Leute erst einmal erfahren hatten, dass Mutter bei uns war, wurde das Leben im Noviziat hektisch, denn unaufhörlich läutete es an der Tür oder das Telefon klingelte. Medienvertreter kamen in die Gore Street 101, um Mutter zu interviewen und zu filmen, die das Ganze in einem verrückten Tempo mitmachte, mit uns morgens zum Gebet aufstand und sich dann in eine Reihe von Gesprächen und Verabredungen vertiefte, die oftmals bis nach Mitternacht dauerten.
Mutter beraumte auch ein besonderes Treffen mit den Mitarbeitern ein, Laien, die ihre Arbeit und ihren Geist bei uns einbrachten und als Freiwillige im Männerasyl Dienst taten, Geld und Kleider sammelten, um uns in unserer Arbeit für die Armen zu unterstützen. Mutter sagte, jeder könne etwas Schönes für Gott tun, indem er sich klarmachte, wer in der eigenen Familie und Nachbarschaft arm und allein war, und diesen Menschen die Hand reichte.
Abwechselnd nahmen wir am Eucharistischen Kongress
teil. Als ich neben Mutter auf dem Weg zu einem der Gottesdienste war, trug ich ihre Tasche. Passanten drückten ihr schweigend Geld in die Hand, das sie mir heimlich zusteckte, damit ich es in der Tasche verstaute. Als wir das Ausstellungsgelände verließen, auf dem der Kongress abgehalten wurde, tastete ihre Hand wieder nach meiner, um in der Menge einen Halt zu finden. Ich blickte sie an und sagte: »Kein Geld, Mutter?« Sie lachte.
Wenn wir zu den Feierlichkeiten gingen, bat Mutter uns, einen Kreis als Schutzschild um sie zu bilden. Dann sagte sie: »Kommt, Schwestern!« Und schon ging sie los. Sie dachte, sie würde der Aufmerksamkeit entgehen, wenn sie sich inmitten einer Gruppe befand, doch diese Tarnung war nicht sehr effektiv, da alle Professen den blau-weißen Sari trugen. Sobald die Leute sie sahen, kamen sie auf sie zu, um sie anzusprechen und ihr ihre Sorgen anzuvertrauen, denn sie stand in dem Ruf, eine lebende Heilige zu sein.
Während der letzten Messe des Kongresses stand Mutter oben hinter dem Hauptaltar, umgeben von Franziskanern. Mein Freund Paul, der die Schule meines Onkels Toby besucht hatte, war unter ihnen. Als die Zeremonie vorbei war, liefen Schwester Regina und ich nach Hause. Wir waren schneller zu Fuß als Mutter und der Rest der Schwestern, die mit den Autos im Stau steckten, und begannen mit der Vorbereitung des Abendessens. Als ich hörte, dass Mutter mit Schwester Augustine kam, ging ich vors Haus, ohne dass man mich darum gebeten hätte. Paul, der noch Zivil trug, stand unter den Mönchen in ihren braunen Habits, die Mutter nach Hause gefahren hatten. Wir wechselten ein paar Worte.
»Wie ist es?«, fragte er.
»Im Moment ziemlich aufregend. Toby schrieb mir, dass du beigetreten bist.«
»Ja, ich dachte, ich versuche es.«
»Komm, Schwester!«, rief Mutter, als sie zurück ins Haus ging.
»Bis bald, Paul.«
Zur Feier von Mutters Besuch fuhren einige von uns in mehreren Autos zu einem Picknick mit ihr nach Gordon im ländlichen Victoria. Die Familie Davidson hatte dem Orden zu diesem Zweck ein Haus zur Verfügung gestellt, und später machten wir dort immer unseren siebentägigen Jahresurlaub. Nach dem obligatorischen Rosenkranz sangen die Schwestern im Auto in mehreren Sprachen. Das alte Haus verfügte über einen Ölofen, und Mrs. Davidson bereitete ein Festmahl aus typisch australischen Speisen zu: Lamm, gebackene Kartoffeln und Scones mit Marmelade und Rahm. Nach dem Mittagessen entkam ich zu einem Spaziergang in den nahe
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