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Wenn Gottes Kinder schweigen - Livermore, C: Wenn Gottes Kinder schweigen - Hope Endures

Titel: Wenn Gottes Kinder schweigen - Livermore, C: Wenn Gottes Kinder schweigen - Hope Endures Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colette Livermore
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der Disziplinierung
nach dem Abendessen. Dazu gehörte, dass wir uns in den Badezellen Schläge in einer vorgeschriebenen Anzahl mit einem geknoteten Seil auf die nackten Schenkel verabreichen mussten. Schwester Regina erklärte, diese Praxis helfe uns, das Leid Christi und der Armen zu teilen und dabei selbst bessere Menschen zu werden. Einige Jahre später beschloss ein Kapitel - die weltweite Zusammenkunft von Schwestern -, dass körperliche Buße freiwillig sei, aber Mutter meinte, dies käme einer »Entscheidung, es zu tun« gleich.
    Ich fand diese Praxis eigenartig, ja sogar abweichlerisch, aber Schwester Regina erklärte, körperliche Buße werde von vielen Heiligen angewandt, um die Geißelung Christi nachzuahmen, Selbstbeherrschung zu erlangen und eine Wiedergutmachung unserer Sünden zu erreichen. Unter den Missionarinnen der Nächstenliebe war es während meiner Zeit im Orden eine Routineübung, der wir uns alle unterwarfen.
    Ein paar Wochen nach unserem Eintritt erhielten Betty und ich Nachricht über unsere Immatrikulationsexamen. Wir hatten beide Commonwealth-Stipendien erhalten, wenn auch erst in einem Jahr. Ich hatte einen Studienplatz für Medizin an der University of New South Wales bekommen, aber ich lehnte das Angebot ab, obwohl es seit meinem vierzehnten Lebensjahr mein Wunschtraum gewesen war. Zu Beginn und am Ende jeden Tages, vor dem Frühstück und nach der abendlichen Erholungspause, fassten wir uns an den Händen und gingen im Gänsemarsch an Schwester Christine - oder welche Oberin wir gerade hatten - vorbei. Sie legte in einer Geste des Segens und der
Autorität ihre rechte Hand auf unsere gesenkten Häupter. Das Abendgebet beendete den Tag, und danach sprachen wir, neben unseren Betten kniend, noch zehn »Vaterunser« mit ausgestreckten Armen und baten Gott, uns Beharrlichkeit für diesen Lebensweg zu geben.
    Dies war der grobe Umriss meines Lebens für die Dauer von elf Jahren. Einmal in der Woche verrichteten wir keine Arbeit außer Haus, sondern »schliefen aus« bis Viertel vor sechs, und einmal im Monat verbrachten wir einen ganzen Tag in Sammlung und Gebet. An diesem Tag sprachen wir auch nicht während der Mahlzeiten, bekamen zusätzlich Zeit für Gebet und Ruhe und lauschten den Worten eines Priesters, der uns ansonsten die übliche wöchentliche Beichte abnahm.
     
     
    Mutter Teresa kam während der fünf Jahre, die ich in Melborne war, mehrmals nach Australien. Sie war klein, gebeugt und hatte ein faltiges Gesicht mit einem strahlenden Lächeln sowie einen stählernen Willen. Wir verehrten sie wie eine Heldin, und ihr Wort war Gesetz. Meine erste Begegnung mit ihr hatte ich 1973, einen Monat, nachdem ich mich dem Orden angeschlossen hatte, als sie dreiundsechzig und ich achtzehn war. Kardinal Knox hatte sie zu einem Eucharistischen Kongress nach Melbourne eingeladen. Obwohl der Hauptsitz in Kalkutta war, verbrachte sie viel Zeit auf Reisen in alle Welt, um die Schwestern in den diversen Ländern zu besuchen, neue Häuser zu eröffnen und auf die verschiedenen Einladungen zu reagieren, wo sie auf Versammlungen sprach oder Preise entgegennahm.
    Zusammen mit Schwester Augustine und einigen der
Professen, die sie vom Tullamarine Airport abgeholt hatten, traf Mutter eines Abends spät im Noviziat ein. Wir bereiteten ihr einen begeisterten Empfang mit Blumengirlanden, Gesang und Klatschen. Sie blieb kurz bei uns, dann ging sie mit den Schwestern Regina und Augustine zum Haus der Professen hinunter. Diese erwarteten sie schon vor dem Gebäude, um sie willkommen zu heißen, und liefen, als sie sie aus dem Noviziat kommen sahen, auf sie zu und begrüßten sie herzlich mitten auf der leeren, beleuchteten Straße. Einige Schwestern weinten, andere knieten sich auf den Asphalt, als Mutter jeder die Hand aufegte.
    Mutter blieb zwei Wochen lang in Melbourne, und unsere Gemeinschaft erweiterte sich von elf auf fünfundzwanzig, da sämtliche Professen, einschließlich der Schwestern aus Bourke, dem Trockengebiet im äußersten Westen von New South Wales, zu den Mahlzeiten zu uns ins Haus kamen, um sich Mutters Reden oder Instruktionen anzuhören, wie sie genannt wurden. Die Novizinnen und wir Postulantinnen stellten unsere Betten den Besucherinnen zur Verfügung und rollten unser Bettzeug auf jedem verfügbaren Fleckchen Fußboden oder Tisch aus, das wir finden konnten. Die Mahlzeiten nahmen wir im Hinterhof unter den Weinranken ein, weil keiner der Räume in der George Street groß genug

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