Wenn Gottes Kinder schweigen - Livermore, C: Wenn Gottes Kinder schweigen - Hope Endures
damals die Antwort des zuständigen Bruders nach: »Siehst du, es sind noch immer fünf Borsten auf dieser wirklich guten Zahnbürste. Frag mich nächsten Monat.« Was ich hier jedoch angetroffen hatte, bedeutete noch größere Abhängigkeit.
Wenn eine Schwester etwas benötigte, schrieb sie ihre Bitte ins Gewandbuch, ein schmales Notizbuch, das mit einem Bindfaden an einem Nagel im Refektorium hing und wöchentlich von der Oberin durchgesehen wurde. Zum Beispiel: »Dürfte ich bitte einen Flicken für meinen Sari bekommen?« Die Oberin würde die Bitte dann prüfen und nachdem sie die Schwester ermahnt hatte, doch
zu versuchen, ihren Sari nicht so häufig einzureißen, das Buch abzeichnen und der »Gewand-Herrin« erlauben, das Gewünschte auszugeben.
Um unser Armutsgelübde zu erfüllen, gehörte dazu auch das wöchentliche »Betteln« um Nahrungsmittel auf den Victoria Markets, einer Ansammlung langer, überdachter Stände, an denen die Verkäufer alle möglichen frischen Produkte und Lebensmittel verkauften. Einwandererfrauen in schwarzen Kopftüchern und Stoffschürzen schauten uns fragend an, wenn wir uns mit unseren Karren näherten und die Standbesitzer der Reihe nach fragten: »Können Sie etwas für die Schwestern erübrigen?«
Einige Leute gaben uns gern etwas. Andere versuchten, uns zu ignorieren, und taten so, als sähen oder hörten sie uns nicht. Einen jungen australischen Arbeiter hörte ich »Parasiten« murmeln, als wir vorbeigingen. Meine indische Begleiterin verstand den Ausdruck nicht, aber mich traf er. Wenn ich Feindseligkeit spürte, wollte ich so schnell wie möglich weg, aber meine Begleiterin war älter als ich und traf die Entscheidungen, also warteten wir ab, bis es für die Person fast beschämend gewesen wäre, uns nichts zu geben. Die eine Woche bekamen wir jede Menge überreifer Bananen, in der nächsten eine Schwemme Kohl. Während wir uns den Hügel hoch nach Fitzroy schleppten, ging ich im Geiste das Menü für die folgende Woche durch: Kohlsuppe, gebratener Kohl, Kohl und Bohnen. Naomi mochte überhaupt keine Bananen, weil ihr davon schlecht wurde, aber essen musste sie sie.
Ein weiterer Aspekt der Armut war, dass wir Monat für Monat unsere sogenannte »Allgemeine Erlaubnis« erneuern
mussten - die Erlaubnis, uns in dem Haus aufzuhalten und seine Einrichtungen zu benutzen. Diese Formalität erforderte von der Schwester, dass sie ihre spirituelle Armut, Schwäche und Wertlosigkeit erkannte. Also kniete jede Schwester vor der Oberin nieder, legte die Stirn auf den Fußboden und »sagte ihre Vergehen auf«, wie etwa, ungeduldig gewesen zu sein, geschwatzt oder das Schweigen gebrochen zu haben. Dann wurde sie gebeten, Platz zu nehmen, und die Oberin unterhielt sich mit ihr über ihre spirituelle Entwicklung oder wies sie wegen aller schlechten Angewohnheiten zurecht, die ihr aufgefallen waren. Jedes Mal, wenn Mutter ein Haus besuchte, mussten sämtliche Schwestern auf dieselbe Weise über sich Bericht erstatten.
Mutter dehnte den Begriff der Armut noch weiter aus, indem sie sagte, wir sollten »die Gelegenheit ergreifen«, fälschlich angeklagt, beschuldigt oder verachtet zu werden, wie das auch Christus widerfuhr. Das sollten wir schweigend über uns ergehen lassen und uns nicht verteidigen, genauso wie er. Wir sollten uns die niedrigsten und gewöhnlichsten Arbeiten suchen und sie fröhlich verrichten. Außerdem sollten wir uns von jeglicher Arbeit, die wir taten, distanzieren. Egal, wie viel Mühe wir in etwas investiert hatten, wir sollten immer bereit sein, ohne Grund und Ankündigung woanders weiterzumachen. Armut bedeutete, dass wir keine Rechte hatten und nichts uns gehörte.
Das Gelübde der Keuschheit umfasste mehr, als nur im Zölibat zu leben. Eine Schwester durfte keinen emotionalen Trost suchen oder Freunde innerhalb oder außerhalb des Ordens haben. Freundschaft war suspekt und ein Hindernis
für die Vereinigung mit Gott. Enge Beziehungen wurden als »besondere Freundschaften« betitelt und waren verboten. Außer mit der Oberin oder einem Priester bei der wöchentlichen Beichte waren keine Privatgespräche erlaubt. Es war eine ganz einsame Lebensweise. Es fiel mir sehr schwer, die Tagträume von alternativen Lebensentwürfen unter Kontrolle zu halten, wie etwa zur Universität zu gehen, ein normales Sozialleben zu führen und Medizin zu studieren, aber ich sprach mit niemandem darüber oder über sonst etwas, das sich in der Gemeinschaft abspielte.
Ich
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