Wenn Gottes Kinder schweigen - Livermore, C: Wenn Gottes Kinder schweigen - Hope Endures
dachte sehr oft daran, die Missionarinnen der Nächstenliebe zu verlassen. Das Gefühl, nicht dafür geschaffen zu sein, und Selbstzweifel hatten sich in mir festgesetzt und wuchsen. Der Orden bezeichnete absolut normale Gedanken als sündhaft und lehrte uns, unsere Gedankenprozesse mit so viel Argwohn zu betrachten, dass nur Unterwerfung und Gehorsam uns inneren Frieden zu geben vermochten. Sich miteinander darüber auszutauschen, war nicht nur verboten, sondern wurde sogar als »Werk des Teufels« angesehen, denn es legte die Saat des Zweifels in unseren Geist. Also kämpften wir allein mit unseren Unsicherheiten und mussten zusehen, dass wir auf unsere Weise mit ihnen klarkamen. Deshalb gab es auch keine Vorwarnung, wenn jemand uns verließ, die Schwester verschwand einfach ohne Erklärung.
Weil die Satzungen uns nicht erlaubten, außerhalb unseres Klosterrefektoriums zu essen oder zu trinken, stießen wir oft die Leute vor den Kopf, die uns einluden. Selbst wenn Mitglieder unserer Familie uns besuchten, durften wir normalerweise
nicht mit ihnen essen oder trinken. Viele der alten Damen, denen wir halfen, lebten allein und hätten gern eine Tasse Tee mit uns getrunken, sie konnten es nicht verstehen, warum wir es ablehnten.
Die meisten religiösen Ordensgemeinschaften halten sich an die drei Gelübde der Armut, der Keuschheit und des Gehorsams, legen sie aber auf unterschiedliche Weise aus. Mutter Teresa fügte noch ein viertes Gelübde hinzu, den Dienst an den Ärmsten der Armen, aus ganzen Herzen und ohne eine Gegenleistung zu erwarten - sich um Christus in all seinen erschreckenden Verkleidungen zu kümmern. Je abstoßender oder widerlicher die Arbeit oder der Mensch war, desto fröhlicher und hingebungsvoller sollten wir sein, wie Mutter uns anwies. Und niemals durften wir irgendeine Bezahlung für unseren Dienst annehmen.
Von außerhalb des Ordens wurden wir dafür kritisiert, nicht die sozialen Probleme zu benennen, welche die Menschen arm machten, aber Mutter Teresa wollte auf die unmittelbare Not jedes Menschen reagieren, dem sie begegnete. »Unsere Leute werden sterben, wenn sie darauf warten, dass die Welt sich ändert«, sagte sie, »aber jeder von uns kann ein wenig dazu beitragen.« Auf den Vorwurf, sie gebe jemandem einen Fisch, anstatt ihm beizubringen, wie man fischt, erwiderte sie: »Die Sterbenden können nicht fischen.« Nichtsdestotrotz half Mutter einigen der Menschen, die sie unterstützte, indem sie ihnen Fertigkeiten wie Schreibmaschineschreiben und Weben beibrachte, wodurch sie letztendlich selbstständiger wurden.
In Australien jedoch bekamen die Männer, denen wir halfen, eine Rente, trugen damit aber nicht zu ihrer Verpflegung
und Unterkunft bei. Manche legten das Geld an, damit sie sich eine eigene Wohnung mieten konnten, aber andere verwendeten die Mittel dazu, am Zahltag nur noch ausgiebiger auf Sauftour zu gehen, weil sie immer wieder zu uns zurückkommen und bei uns essen und wohnen konnten, wenn das Geld aufgebraucht war. Ich fand nicht, dass man ihnen damit einen guten Dienst erwies, aber es stand mir nicht zu, dies zur Diskussion zu stellen. Wenn wir ihnen für ihre Unterkunft ein wenig Geld abverlangt hätten, hätten wir dies für sie sparen können, um ihnen später etwas Sinnvolles davon zu kaufen. Dies war nicht möglich.
In der Gemeinschaft widmete man sich vorrangig dem spirituellen Leben. Gebete nahmen täglich mehrere Stunden in Beschlag: Morgengebet und Meditation, Messe, eine tägliche halbstündige spirituelle Lektüre eines Erbauungsbuchs, die einstündige Anbetung und Brevier am Abend oder am Nachmittag, Mittags-, Abend- und Nachtgebet, Gewissenserforschung und Rosenkranz. Mutter war der Ansicht, wir müssten »die Arbeit beten«, als wären Routineaufgaben eine heilige Handlung. Wir sollten in der Gegenwart leben und alles, was wir taten, sorgfältig und gut machen. Sie lehrte uns, unsere Gedanken und unsere Zungen zu hüten in der Hoffnung, inneres und äußeres Schweigen möge uns zu einem tieferen Beten führen.
Für mich stellten die vielen gesungenen Gebete, die wir täglich herunterratterten, ein Hemmnis für das dar, was ich als wahres Gebet und inneres Schweigen empfand. Ich las Way of a Pilgrim, das ich mir als spirituelle Lektüre aus den Erbauungstexten der Novizitatsbibliothek ausgesucht hatte. Es war die Geschichte eines unbekannten russischen
Bauern, der lernen wollte, wie man kontinuierlich betete. Mir gefiel seine Methode, einen
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