Wenn Gottes Kinder schweigen - Livermore, C: Wenn Gottes Kinder schweigen - Hope Endures
am Empfang mit ziemlich gelangweilter Miene und bedeutete uns, die Frau auf eine Trage zu legen. Ich gab ihren Namen und andere Einzelheiten an, dann wollte die Empfangsschwester wissen: »Wo sind ihre Sachen?«
»Sie kommt von der Straße und hat nicht viele Sachen. Wir haben für sie ein paar Kleider, Handtuch und Seife zusammengestellt.«
»Sie benötigt ihr eigenes Laken, Teller, Eimer und Besteck, sonst kann sie nicht bleiben.«
Glücklicherweise gab es auf dem Gelände einen kleinen Laden, wo ich noch etwas mehr Geld verpulverte, um diese Dinge zu kaufen, wohl wissend, dass ich zweifellos mit weiteren Beschuldigungen rechnen musste, wenn ich wieder zu Hause war.
Vergleichbare Vorfälle ereigneten sich während meines gesamten Lebens als MN zu vielen Gelegenheiten. Der Zeitplan und die Struktur waren so streng, dass es uns nicht gestattet war, auf zufällige Bitten der Verzweifelten einzugehen, obwohl es meinem Verständnis nach keinen anderen Grund unserer Existenz gab. Ich konnte noch immer nicht vollständig akzeptieren und begreifen, dass der Gehorsam gegenüber unseren Vorgesetzten für wichtiger erachtet wurde als der Dienst an den Armen. Aufgrund dieser vordringlichsten Regel hing das Glück einer Schwester weitgehend vom Charakter ihrer Oberin ab, die Macht über sie hatte.
Ich gab mir alle Mühe, demütig zu sein, und zügelte meine Wut und meine Zunge mit unterschiedlichem Erfolg. Ich betete und wiederholte dabei täglich mehrmals einen kurzen Satz als Mantra. Ich plagte mich durch die täglichen Gebete, die verpflichtend waren und mir, wenn sie beendet waren, erlaubten zu schweigen. Meine Notizbücher aus Schmierpapier, das mit Bindfaden zusammengehalten wurde, waren voll kritischen Selbsttadels:
»Heiligkeit bedeutet, oft zu Gott zu beten, sich ihm anzuvertrauen,
jedermann zu lieben und, ohne wütend oder verbittert zu werden, zu leiden und die Wut und die Verletzungen der anderen oder schwierige Umstände auszuhalten.« Einfach! Ich kam mir ein wenig vor wie ein Pferd im Geschirr, das manchmal loslaufen durfte, aber immer gezügelt wurde.
Kurze Zeit nachdem ich die Frau nach Tala gebracht hatte, fanden wir in Tondo einen Mann mit Lepra. Er hatte zwei Zehen und einen Finger verloren und eine stark entzündete Hand. Diesmal war es kein Notfall, und ich ging zur Oberin, um mir ihre Erlaubnis einzuholen, ehe ich ihn aus seinem Haus holte. Sie war diesmal zugänglicher, und wir fuhren besser vorbereitet mit allem Nötigen nach Tala. Während mehrerer weiterer Fahrten nach Tala mit neuen Patienten besuchten wir unsere alten Freunde und brachten ihnen Geschenke in Form von Kleidern oder zusätzlichem Essen mit.
Ich freundete mich mit Schwester Emilia, einer Franziskanerschwester an, die sich um die Kinder der Leprapatienten kümmerte, bis die Krankheit ihrer Eltern nicht mehr akut war und die Familie wieder vereint werden konnte, und auch mit dem Dominikanerpriester Hofstee, der während des Kriegs Armeekaplan gewesen war. Er war zu der Leprastation gekommen und arbeitete dort seit dreißig Jahren an der Verbesserung der Lebensbedingungen, indem er eine Schule und ein Krankenhaus errichtete. Obwohl er alt war und ihm ein Teil seines Ohrs fehlte, stapfte er noch immer in seinen Gummistiefeln und der weißen Soutane herum. Als ich ihn bei meinem zweiten Besuch in Tala kennenlernte, hatte er gerade eine Beerdigung vorgenommen.
»Passen Sie bloß auf in Ihren Gummilatschen! Damit rutschen Sie noch in eins dieser Gräber, und ich bekomme noch mehr Arbeit!«
»Ich war auf einer Dominikanerschule«, sagte ich ihm, um ihm zu vermitteln, dass ich klug genug war, um nicht in ausgehobene Gräber zu fallen.
»Und warum tragen Sie dann ein blauweißes Geschirrtuch? Sie sollten Schwarz und Weiß tragen, die Dominikanerfarben«, witzelte er. Er war ein Mann, dessen Lebensmotto Veritas hieß. Der Wahrheit verpflichtet, waren bei ihm Worte und Taten eins, und er brachte alle um ihn herum zum Lachen.
Eine unserer Laienmitarbeiterinnen, Ate Ester, zeigte mir als Erste den Weg in den Slum am Fuße des tambakan oder Müllbergs. Hinter großen Gebäuden und Fabriken versteckt, war er unsichtbar, wenn keiner einem den Pfad zeigte. Am ersten Tag überwältigte mich der Gestank, die erdrückende Armut und der beißende Rauch, der dem Müllberg entstieg, aber von da an besuchte ich Magdaragat, das Viertel der Seefahrer, regelmäßig.
Viele Hütten drängten sich auf dem dreieckigen Areal zwischen dem Müll,
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