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Wenn Gottes Kinder schweigen - Livermore, C: Wenn Gottes Kinder schweigen - Hope Endures

Titel: Wenn Gottes Kinder schweigen - Livermore, C: Wenn Gottes Kinder schweigen - Hope Endures Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colette Livermore
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Erbauungsbücher.
    Mit seinen etwa zwanzig Novizinnen, einer ähnlichen Anzahl von Postulantinnen und etwa zehn Professen war dies das größte Haus, in dem ich je gelebt hatte. Während meiner Zeit in Manila änderten sich meine Berufungen. Hauptsächlich arbeitete ich im Tahanan, wo ich sauber machte, die Bettwäsche wechselte, die Patienten wusch, anzog und sie fütterte, aber ehe ich am Nachmittag außer Haus ging, unterrichtete ich eine Novizinnenklasse. An zwei Nachmittagen in der Woche machte ich Hausbesuche. Nach etwa einem Jahr weitete sich meine Lehrtätigkeit auf den ganzen Vormittag aus. Über drei Jahre war ich dort und unterrichtete Englisch, die Heilige Schrift, Moraltheologie
und Kirchengeschichte. Anfangs wohnte ich bei den Professen und war dann sogar verantwortlich für die Arbeit im Tahanan. Ich schrieb Einkaufslisten, überwachte und arbeitete mit den Novizinnen und organisierte Besuche unserer Patienten bei den ortsansässigen Ärzten, wenn ich es arrangieren konnte. Aber dann wurde ich Schwester Gabrielles Assistentin und wohnte in der Gemeinschaft der Novizinnen im ersten Jahr. Ich war nun nicht mehr für das Tahanan verantwortlich, obwohl ich an Donnerstagen und Sonntagen noch immer dort arbeitete. An den anderen Tagen unterrichtete ich morgens und machte am Nachmittag Hausbesuche.
    Bei so vielen Schwestern gab es auch viele Apostolate in Manila. Novizinnen, Postulantinnen und die Professen arbeiteten im Tahanan, in der Apotheke, bei der Essensausgabe, die sich in einem überdachten Bereich seitlich des Tahanans befand, und viele von uns besuchten die verschiedenen Slums und Stadtteile. In einem anderen Haus, das die Missionarinnen der Nächstenliebe in Manila unterhielten, dem Binondo oder Del pan, kümmerte sich der Orden um die kranken und unterernährten Kinder. Man hatte Schwester Naomi von Katherine aus dorthin geschickt, und ich freute mich, sie wieder zu sehen.
    Als ich ankam, gab es im Tahanan nur siebzehn Patienten, viele darunter jung und an Tuberkulose erkrankt. Manche waren ans Bett gefesselt und zu schwach, um zu laufen. Anfangs arbeitete ich dort allein, um ihnen zu helfen, weil die andere Schwester, die dort eigentlich arbeitete, krank war, doch eine Frau, die in den Slums neben den
Bahngeleisen lebte, kümmerte sich um das Kochen. Ich gab mir Mühe, Tagalog zu lernen, und hatte immer ein Notizbuch mit Wörterlisten in meiner Schürzentasche.
    Die wenigsten Patienten konnten sich die achtmonatige klinische Behandlung einer fortgeschrittenen TB leisten, deshalb wurde ihre Therapie oft unterbrochen, wenn ihnen das Geld ausging. Dies hatte zur Folge, dass der Tuberkelbazillus arzneimittelresistent wurde, was die Behandlung noch teurer und komplizierter machte. Eigentlich sollte die Behandlung kostenlos sein, aber unsere Patienten erzählten uns, dass einige der staatlichen Kliniken Geld für die Tuberkulose-Medikamente verlangten, die wir kostenlos verabreichen konnten, da wir Arzneimittelspenden aus Deutschland bekamen.
    Die TB-Patienten bewegten sich mühsam auf dünnen, stockgleichen Beinen mit geschwollenen Füßen. Sie rangen nach Luft, wurden von Hustenanfällen gebeutelt und spuckten Blut. Nie zuvor hatte ich derart kranke Menschen gesehen. Dennoch gefiel es mir, mit ihnen zu arbeiten und zu verfolgen, wie sie sich erholten, und endlich hatte ich das Gefühl, die Arbeit zu machen, deretwegen ich in den Orden eingetreten war, doch fühlte ich mich nicht ausreichend ausgebildet und vorbereitet. Wie Dostojewski schrieb: »Praktizierte Liebe ist hart und schrecklich im Vergleich zur Liebe im Traum.« Der praktische Dienst, den die Liebe erforderte, war alles andere als hochtrabend und romantisch, sondern bestand aus einer ganzen Reihe einfacher Aufgaben: Wir fütterten, wuschen die Wäsche mit der Hand, machten sauber, führten auf die Toilette. Ich war jedoch glücklich, diese Aufgaben zu erledigen, und
empfand dabei einen Sinn, der sich mir bis jetzt nicht erschlossen hatte.
    Einer unserer Patienten hatte eine große, offene, schwärende Wunde, die sich von seinem Armstumpf bis zu seinem Brustkorb erstreckte. Ich konnte die Bewegung der Lunge sehen, wenn ich ihn anzog. Er bat mich, zum Sterben in sein Dorf zurückkehren zu dürfen, als sich sein Zustand verschlechterte, also kümmerten wir uns darum, dass Mitglieder seiner Familie ihn abholen kamen, damit er seine letzten paar Tage zu Hause verbringen konnte. Sie zögerten jedoch, weil sie Angst davor hatten, seine offenen

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