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Wenn Gottes Kinder schweigen - Livermore, C: Wenn Gottes Kinder schweigen - Hope Endures

Titel: Wenn Gottes Kinder schweigen - Livermore, C: Wenn Gottes Kinder schweigen - Hope Endures Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colette Livermore
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brachten ihre Ware nicht los.
    Während der Überschwemmungszeit nahmen die Erkrankungen zu, da selbst das von außerhalb des Müllviertels hergebrachte Trinkwasser verseucht war. Unter der Bevölkerung wüteten Ruhr, Hepatitis, Lungenentzündung und Bindehautentzündung. Polio, Tuberkulose und Lepra breiteten sich aus, und tigdas, Masern-Epidemien, rafften viele Kinder dahin und ließen andere erblindet zurück. Die Schwestern und ich fanden in den kleinen niedrigen Wellblechhütten oder Bretterbuden Kinder, die fieberten, auszutrocknen drohten und mit Lungenentzündung dem Tode nah waren. Viele hatten eitrige Ohren und Wunden. Kinder, die zu krank waren, brachten wir im Jeepney zum Kinderheim von Binondo.

    Ein Filipinopriester, Vater Beltran, der gerade von Studien in Rom zurückgekehrt war, wo er eine theologische Dissertation fertiggestellt hatte, wurde ans Seminar von Tagaytay berufen, um dort zu lehren, und begann mit uns zu arbeiten. Er hielt Messen in der Chapel of the Resurrection ab, und die Leute aus dem Slum strömten in Scharen zum Gottesdienst - vor Freude, dass die Kirche zu ihnen kam. Während der Überschwemmungen trafen wir ihn in Gummistiefeln auf dem Weg ins Müllviertel. Die Priesterschüler, die von Vater Beltran unterrichtet wurden, begleiteten ihn, bekleidet mit ihren makellosen weißen Soutanen. Anfangs hielten sie sich Taschentücher vor Mund und Nase, um den Gestank des Mülls abzuwehren, den sie so von ihrem Priesterseminar nicht kannten, das in einer wunderschönen Gegend in der Nähe eines Vulkansees lag.
    Nachdem er ein paar Monate lang mit uns zusammengearbeitet hatte, lud er einige Menschen aus dem tambakan zu einem Picknick nach Tagaytay ein. Die Busfahrt in den sechzig Kilometer weit entfernten Ort brachte diese Menschen in eine andere Welt ohne Rauch, Schmutz und Fliegen. Die Bergluft war kühl und rein, und die Leute waren begeistert von dem vielen Grün, das sie sahen. Vom Grat neben dem Seminar hatten sie einen Ausblick auf den kleinen, aber sehr mächtigen Taal-Vulkan, der inmitten des Sees unschuldig und schön dalag, obwohl er von einer gefährlichen unterirdischen Kraft erfüllt war. Von der Schönheit dieser unverdorbenen Landschaft verwandelt und belebt, liefen die Besucher durch die Gärten, veranstalteten Ballspiele und aßen gierig von dem Mittagessen, das wir ihnen bereiteten.

    Einige Zeit, nachdem ich Manila verlassen hatte, überwarf Vater Beltran sich mit den MNs, setzte sich aber weiterhin für die Menschen vom Müllberg ein. Er kämpfte darum, dass ihre Belange berücksichtigt wurden, als 1983 die Regierung die Gegend um die Manila-Bay ausbauen wollte und die Menschen aus dem Müllviertel deshalb in überfüllte Behausungen am Rande von Manila umsiedelte, wo es keine Arbeit, kein Wasser und keine Elektrizität gab.
    Ich träumte davon, zusammen mit einer kleinen Gruppe von Schwestern in Magdaragat nah an den Menschen anstatt in unserem umfriedeten Gelände zu leben. Ich dachte, wenn wir dort bei ihnen den gleichen Widrigkeiten ausgesetzt wären, würden wir lernen, diesen zu begegnen. Verfügten wir hingegen über eine Rückzugsmöglichkeit, verlieh diese uns Macht, das war das Problem. Und dann waren Tore, Schlösser, Wände und Verteilungspläne vonnöten, um unsere Rückzugsmöglichkeiten zu schützen. Es mussten Regeln aufgestellt werden, wer zur Aufnahme berechtigt war und wer nicht. Und ehe wir uns versahen, wären die Schranken wieder errichtet, und die wirklich Armen stünden wieder vor dem Tor, am falschen Ort, zur falschen Zeit.
     
     
    In der Woche vor Weihnachten blieben wir den ganzen Tag im Müllviertel und gingen von Haus zu Haus, um Tickets für eine Geschenkverteilung und ein Kinderfest auszuteilen, das wir in unserem Haus abhielten. An einem dieser Tage stießen wir auf einen sehr kranken jungen Mann in einem Haus neben der Müllhalde mit fortgeschrittener TB. Er war dünn und blass und hatte geschwollene Füße.
Seine alte Großmutter verkaufte Blumentöpfe, um ihn zu unterstützen, aber in einem Müllhaldenslum gab es keinen großen Markt für Topfpflanzen. Wir brachten ihn im Lieferwagen nach Tayuman, weil er zu schwach war, um im Jeepney zu fahren, und nach langer Zeit erholte er sich, wenngleich seine Lungen dauerhaft geschädigt waren.
    Auf den Philippinen begeht man die aquinaldo oder Novena - neun Tage - vor Weihnachten. An jedem der neun Tage vor dem großen Fest drängen sich in der Frühmesse um halb fünf Uhr morgens die Menschen

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