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Wenn Gottes Kinder schweigen - Livermore, C: Wenn Gottes Kinder schweigen - Hope Endures

Titel: Wenn Gottes Kinder schweigen - Livermore, C: Wenn Gottes Kinder schweigen - Hope Endures Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colette Livermore
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den Fabriken entlang der Straße und dem flachen braunen Wasser der Manila-Bay. Schmale Gassen schlängelten sich zwischen schäbigen Hütten aus Blech, Holz und Plastik hindurch. Es gab weder Abwasserkanäle noch sanitäre Anlagen, und Gräben mit schwarzem Wasser zogen sich zwischen den Behausungen hindurch. Fliegen hockten in dicken Trauben auf den Wäscheleinen, und der penetrante Rauch aus dem Müll drang in meine
Haut und meine Kleider ein und ließ meine Augen tränen. Der Himmel über der Müllhalde war still. Nie hörte ich an diesem verseuchten Ort einen Vogel singen und dachte voll Bedauern an die trällernde Zwiesprache der Elsterfamilie in unseren Bäumen zu Hause, die ich immer als selbstverständlich angesehen hatte.
    Auf dem Müllberg, der sich über dem Dorf der Landbesetzer erhob, arbeiteten Menschen in gebückter Haltung, Münder und Nasen mit Tüchern bedeckt, um sich gegen die toxischen Dämpfe und den Gestank zu schützen. Ihre Füße sanken in den Müll ein, während sie mit einem Haken den durchweichten Abfall durchpflügten und alles, was noch zu retten war, in einen Korb warfen, den sie auf den Rücken geschnallt trugen. Diese Familien waren in der Hoffnung in die Stadt gekommen, Arbeit zu finden oder der Gewalt und der Armut in den Provinzen zu entfliehen. Sie lebten neben schwarzen, verseuchten Kanälen, entlang der Bahngeleise oder am Fuße der Müllhalden, von denen ihr Überleben abhing. Rauch, donnernde Taifune und erstickende Dämpfe waren Teil ihres Lebens.
    Inmitten dieser Armut und dieses Schmutzes gab es dennoch Leben, Kameradschaft, Feste, Freude und die üblichen Konflikte. Die Menschen arbeiteten hart, um zu überleben, und nichts wurde vergeudet. Sie sammelten Zeitungspapier, Dosen, Plastikbehälter, Knochen und Glas und verkauften es. Doch selbst dies wurde von der Regierung kontrolliert, die einmal sogar Soldaten zur Bewachung des Mülls postierte und die Müllsammler zwang, an ausgewählte Händler zu einem günstigeren Preis zu verkaufen.

    Es gab einen Blinden in Magdaragat, einen immer fröhlichen Mann, der, als er noch bei Kräften war, für die Fischer gerudert war. Dafür bekam er von ihnen einen Teil ihres Fangs. Als ich ihn kennenlernte, konnte er wegen seines schwachen Herzens nicht mehr rudern, aber seine alten Kumpel halfen ihm weiterhin und schenkten ihm regelmäßig frischen Fisch.
    Eine Witwe und Mutter von acht Kindern bat ihren Sohn, auf den Berg zu klettern, um nach etwas Essbarem zu suchen. Er fand nichts und legte sich eine Weile hin, um auf den nächsten Mülllaster zu warten, und schlief ein. Eine sich über ihn ergießende Lawine aus Büchsen und verrottendem Gemüse weckte ihn, als ein gelbes Müllauto seinen Inhalt entleerte. Als er mit dem Essen nach Hause kam, schalt seine Mutter ihn: »Du hättest getötet werden können.«
    »Ich war jedenfalls als Erster dort!«, erwiderte er.
    Während der Regenzeit wurde das Viertel regelmäßig überschwemmt. Als wir uns durch die Straßen im knietiefen, trüben Wasser unseren Weg bahnten, fiel ich bis zu meiner Taille in einen überspülten Graben. Warum hat Mutter sich für weiße Habits entschieden?, fragte ich mich, als ich versuchte, meine Fassung zurückzugewinnen. Die Zuschauer riefen: »Madre!« Mein Gesicht errötete, während der Rest von mir grau und nass war.
    Während der heftigen Regengüsse wurde der Müll zum Morast. Viele Menschen in Nähe des Wassers verloren ihre Hütten während der Monsunregen. Einmal kam es zu einem Erdrutsch im Müllberg, und der herabstürzende Unrat tötete zwei Männer. Während der Überschwemmungszeit
gaben wir an die Familien, die von den Unwettern am härtesten getroffen worden waren, gekochtes Essen und eine Trockenration aus Reis, Mungobohnen, Milchpulver und Fischdosen aus. Ganze Familien wachten die Nacht über in ihren leckenden Anbauten und trugen ihre Babys hin und her, um sie trocken zu halten. Oftmals stieg das Wasser so schnell, dass die Familien all ihre Habseligkeiten auf dem Tisch in Sicherheit bringen mussten. Wenn das Wasser noch höher stieg, gingen sie über die Hauptstraße ins Tondo Hospital oder in Schulen, die auf höherem Gelände errichtet waren, und weil es ein Notfall war, wurden sie dort auch geduldet. Bei tagelangem Regen wurde ihr Feuerholz nass, und die Menschen blieben hungrig, weil sie sich keinen Reis kochen konnten. Die lavenderas oder Waschfrauen, die von der Hand in den Mund lebten, konnten nicht arbeiten, und die Hausierer

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