Wenn Gottes Kinder schweigen - Livermore, C: Wenn Gottes Kinder schweigen - Hope Endures
Chemiefabrik, befand sich in Prem Dam, unserem Haus in der Park Street näher gelegen, wo es den strengen Gerüchen einer nahe gelegenen Gerberei ausgesetzt war. 1975 hatte eine der größten, ehemals britischen Farbe- und Chemiefabriken, Imperial Chemical Industries, ihr Firmengelände Mutter Teresa vermacht, die daraus ein Heim für körperlich und geistig behinderte Kinder geschaffen hatte.
Während Naomi und ich warteten, bis der Rest der Gruppe eintraf, verbrachten wir unsere Zeit mit Körperpfege. Obwohl ich an das Tropenklima angepasst war, empfand ich Kalkutta heißer als Port Moresby oder Manila. Weil wir unser Habit mit einem Strick gürteten, in den wir unseren Sari und ein Kreuz steckten, bekam ich rasch einen juckenden Ausschlag um meine Taille und konnte die übliche Bußübung der MNs, während des Morgengebets eine stachelige Drahtkette zu tragen, kaum ertragen.
Schwester Naomi und ich wollten das Mutterhaus sehen, also ging eine der Schwestern mit uns hinunter zu dem viergeschossigen Bau. Über eine Seitenstraße gelangten wir zum Haupteingang, auf dem ein schlichtes Holzkreuz befestigt
war, und zogen die Besucherglocke, um unsere Ankunft anzukündigen. »Mutter Teresa nicht da«, verkündete ein verrutschtes Schild an der Wand, aber wir wussten bereits, dass sie noch immer im Ausland weilte. Eine Schwester kam und führte uns in den Innenhof, der als Versammlungsplatz genutzt wurde. In einer Ecke befand sich eine Grotte, auf der anderen Seite eine Handpumpe und Wassertanks. Eine Treppe seitlich des Tanks führte hinauf zu Mutters kleinem Zimmer im ersten Stock.
»Woher kommt ihr, Schwestern?«, erkundigte sich die Pförtnerin.
»Wir sind Australierinnen, frisch eingetroffen von den Philippinen, um unser Tertianum zu beginnen«, antwortete Naomi. »Wir waren noch nie im Mutterhaus.«
»Willkommen!«, rief sie. »Ich werde euch die Kapelle zeigen und dann Schwester Agnes rufen. Sie wird erfreut sein, dass ihr gut angekommen seid.« Als wir ihr über die Treppe nach oben folgten, kamen wir unmittelbar an einem lebensgroßen Kruzifix vorbei, das an der Wand des Treppenabsatzes hing, daneben die vertrauten Worte: »Mich dürstet.« Vom offenen Wandelgang zur Kapelle sah man hinab auf den Waschplatz. Wir betraten die Kapelle, einen langen, saalartigen Raum, an dessen Wänden an die vierzehn Kreuzwegstationen erinnert wurde, und knieten uns auf Matten, die zum Altar und dem Tabernakel hin ausgerichtet waren. Zufrieden, endlich im Mutterhaus angekommen zu sein, schlossen wir uns den wenigen Schwestern an, die bereits in schweigendem Gebet niedergekniet waren. Dann lud Schwester Agnes uns zum Nachmittagstee im Refektorium der Professen ein, wo wir Schwester
Melissa kennenlernten, eine australische Loreto-Schwester, die zu Mutters Orden übergetreten war.
Ein paar Tage später fuhren Naomi und ich in einem großen Militärlaster zur Bahnstation, um dort sechzig Schwestern und neue Aspirantinnen abzuholen, die aus Kerala im Süden kamen. Der Zug hatte drei Stunden Verspätung, also warteten wir auf dem von Menschenstimmen und Musik summenden Bahnsteig. Träger schleppten anmutig gewaltige Lasten auf ihrem Kopf, die sie mithilfe eines seitlich herabhängenden Stricks, der die Ware zusammenhielt, ausbalancierten. Straßenhändler verkauften Tee in kleinen Tontassen. Bettelnde Kinder huschten umher, während ihre Eltern, die den Bahnsteig zu ihrem vorübergehenden Zuhause gemacht hatten, ihren häuslichen Aufgaben nachkamen. Als der Zug einfuhr, entstiegen ihm Menschenmassen, aber wir konnten das Bataillon der blauweißen Saris leicht erkennen. Die Schwestern kletterten auf den Lastwagen, und wir brachen auf zum Mutterhaus und zur Park Street.
Etwa achtzig von uns lebten in der Park Street, unterteilt in vier Gemeinschaften: jeweils zwei mit auszubildenden Neulingen und zwei mit Fortgeschrittenen und eigenem Refektorium. Unsere Gruppe begann gemeinsam, weil die dritte Tertianer-Schwester aus Tansania erst später eintraf.
Das Tertianum dauerte ein Jahr, und alle sechs Monate gab es Neuaufnahmen. Schwester Naomi und ich waren die einzigen nicht-indischen Schwestern unserer Gruppe, aber wir lebten in getrennten Gemeinschaften. Die anderen Schwestern kamen aus ganz Indien, aber hauptsächlich aus den Staaten Kerala und Bihar. Schwester Annette,
die ein Jahr vor uns im Noviziat gewesen war, war bei den Tertianerinnen im zweiten Halbjahr, aber als wir ankamen, besuchte sie gerade eins der Missionshäuser,
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