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Wenn Gottes Kinder schweigen - Livermore, C: Wenn Gottes Kinder schweigen - Hope Endures

Titel: Wenn Gottes Kinder schweigen - Livermore, C: Wenn Gottes Kinder schweigen - Hope Endures Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colette Livermore
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mich kurz vor dem Einschlafen wie gelähmt und als hätte man mich eingesperrt. Ich konnte mich weder bewegen noch schreien. Ich glaubte, sterben zu müssen, und hatte Angst, mich schlafen zu legen. Vielleicht waren dies Angstattacken. Auf unserem Gelände und in unserem Kloster wimmelte es von Menschen, aber in meinen Träumen sah ich den freien Raum und die grünen Hügel um mein Zuhause, wo ich gerne über
die Buschpfade bei Fitzroy Falls oder Bundanoon spazieren ging. In Tondo gab es nur Beton, Schlamm und Menschen, die zusammengepfercht waren. Nichts Grünes. Es war eine schlimme Vorstellung, dass es Menschen gab, die lebten und starben, ohne jemals die Schönheit der Natur gesehen zu haben, und in verseuchten Slums leben mussten, wo sie nie für sich allein sein konnten.
    Während einer Handelskonferenz der Vereinten Nationen in Manila besuchte ein deutsches Fernsehteam Schwester Gabrielle. Sie schickte mich mit ihnen zum Müllviertel Magdaragat. Ich versuchte, mit ihr zu verhandeln: »Bitte Schwester, geh du mit ihnen. Ich möchte nicht im Film zu sehen sein, außerdem spreche ich kein Deutsch.«
    »Geh, Schwester Tobit! Führe sie einfach herum, du kennst die Gegend. Sie sprechen sehr gut Englisch.«
    Es war unpassend, in einer glänzenden schwarzen Limousine zum Müllviertel zu fahren. Die Crew folgte mir mit ihren Kameras überallhin, erst zum Vorsitzenden des Bezirks, um sich bei ihm die Erlaubnis zum Filmen einzuholen, dann besuchten wir verschiedene Familien inmitten von Schmutz und Rauch.
    Die Verantwortlichen der Dokumentation wollten eine Totale des Gebiets filmen, also empfahl ich ihnen, den Müllberg zu besteigen, weil sie von dort das ganze Viertel, die Bucht und den fernen Horizont überblicken konnten. Direkt am Fuße des tambakan besuchte ich ein Kind, das ein paar Wochen zuvor während der Masernepidemie bei uns im Krankenhaus gewesen war. Ich traf das sechsjährige Mädchen, das die Ärzte drei Tage zuvor entlassen hatten; es lag auf dem Boden, litt an Ruhr, Lungenentzündung
und Austrocknung. Seine Mutter war im achten Monat schwanger, kümmerte sich um ein krankes Dreijähriges und hatte ein weiteres Kind losgeschickt, um nach ihrem Mann zu suchen, der oben im Müll wühlte. Ich beschloss, das Kind direkt ins Hospital zu bringen, und erklärte den Fernsehleuten, dass wir sie jetzt allein lassen mussten, und vereinbarte ein späteres Treffen vor dem Krankenhaus. Mit dem Kind auf dem Arm eilten wir los, während die Filmcrew den Müllberg bestieg, um ein paar Aufnahmen zu machen. Einem Mitglied der Gruppe wurde übel von der Hitze und von dem Gestank. Die Crew spendete Geld, um Medizin und Flüssignahrung für das kleine Mädchen zu kaufen, aber trotz ihrer Großzügigkeit starb es noch in dieser Nacht.
     
     
    Im Mai 1980 kam für Schwester Naomi und mich der Zeitpunkt, nach Kalkutta zu gehen, wo wir unser Tertianum, das Vorbereitungsjahr auf das endgültige Gelübde verbringen sollten. Es war unsicher, ob wir Visa für die Einreise nach Indien bekommen würden, aber schließlich wurden sie bewilligt. Alle MN-Schwestern machten vor ihrem endgültigen Gelübde einen Heimaturlaub, aber Naomi und ich kehrten wegen der Entfernung und der Kosten nicht nach Australien zurück. Bevor wir nach Kalkutta aufbrachen, erneuerten wir unser temporäres Gelübde zum fünften und letzten Mal. Die Novizinnen und Postulantinnen führten ein Stück auf, das die Geschichte erzählte, wie wir beide unter großem Trara in Kalkutta ankamen. Es gab einen rührenden Abschied mit vielen Tränen und Umarmungen von den Patienten im Tahanan.

    In Manila hatte ich die größte Übereinstimmung zwischen dem Orden und mir selbst verspürt. Ich machte die Arbeit, die ich liebte, erfuhr Kameradschaft, Unterstützung und Zeiten der Ruhe. Nichtsdestotrotz blieb es weiterhin schwierig, Ideen einzubringen, und ich fühlte mich nicht ausreichend ausgebildet, um derart kranke Menschen zu versorgen. All dies trug ich in Gedanken mit mir, als ich zu meinem Tertianum nach Indien aufbrach, wo der Orden seinen Anfang genommen hatte.

7
    Kalkutta: Mein innerer Kampf
    »Es war aber ein reicher Mann, der kleidete sich in Purpur und kostbares Leinen und lebte alle Tage herrlich und in Freuden. Es war aber ein Armer mit Namen Lazarus, der lag vor seiner Tür voll von Geschwüren und begehrte, sich zu sättigen mit dem, was von des Reichen Tisch fiel.«
    (Lukas 16,19-21)
     
     
    Auf dem Flug nach Kalkutta hatten Naomi und ich Gelegenheit,

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