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Wenn Ich Bleibe

Titel: Wenn Ich Bleibe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gayle Forman
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der Zuckerfee von Tschaikowski spielen.
    Ich stand hinter der Bühne und hörte, wie die anderen Kinder auf ihren Geigen herumschrammten und auf die Klaviertasten hämmerten, und beinahe hätte mich der Mut verlassen. Ich rannte zum Bühneneingang hinaus, setzte mich draußen auf die Treppe, keuchend vor Aufregung, wobei ich mir die gewölbten
Hände vor den Mund hielt und versuchte, mich zu beruhigen. Währenddessen geriet der Student, der mich damals unterrichtete, leicht in Panik und schickte eine Suchmannschaft nach mir aus.
    Es war mein Vater, der mich fand. Er war gerade dabei, sich vom Punk in einen ehrenwerten Familienvater zu verwandeln, und daher trug er einen altmodischen Anzug mit einem Nietengürtel und schwarzen, knöchelhohen Stiefeln.
    »Alles klar bei dir, Mia mein?«, fragte er und setzte sich neben mich auf die Treppe.
    Ich schüttelte den Kopf und sagte nichts. Ich schämte mich zu sehr.
    »Was ist los?«
    »Ich schaff das nicht!«, weinte ich.
    Mein Vater zog eine seiner buschigen Augenbrauen hoch und starrte mich mit seinen graublauen Augen an. Ich fühlte mich wie eine geheimnisvolle, unbekannte Spezies, die er unter die Lupe nahm und zu begreifen versuchte. Er hatte seit ewigen Zeiten in einer Band gespielt. Offensichtlich war er niemals von so etwas Peinlichem wie Lampenfieber befallen worden.
    »Das wäre aber sehr schade«, sagte mein Vater. »Dabei habe ich so ein schönes Geschenk für dich. Viel besser als Blumen.«
    »Schenk es jemand anderem. Ich kann da nicht rausgehen. Ich bin nicht wie du oder Mom oder Teddy.« Teddy war damals erst sechs Monate alt, aber bereits
jetzt war klar, dass er mehr Persönlichkeit, mehr Schwung hatte, als ich je haben würde. Und natürlich war er blond und blauäugig. Selbst wenn es nicht so gewesen wäre: Er war in einem Geburtshaus zur Welt gekommen, nicht in einem Krankenhaus, also hatte man ihn ganz gewiss nicht vertauscht.
    »Du hast recht«, sagte mein Vater nachdenklich. »Als Teddy sein erstes Harfenkonzert gab, war er so cool wie eine Gurke. Ein echtes Wunderkind.«
    Ich lachte unter Tränen. Mein Vater legte mir sanft den Arm um die Schulter. »Weißt du, dass ich früher immer ganz fürchterlich weiche Knie bekam, bevor ich auf die Bühne musste?«
    Ich schaute meinen Vater an, der mir immer so selbstsicher vorkam, als könnte nichts auf der Welt ihn aus der Ruhe bringen. »Das sagst du bloß so.«
    Er schüttelte den Kopf. »Nein, wirklich nicht. Es war ganz entsetzlich. Und dabei war ich bloß der Schlagzeuger, der ganz hinten saß. Niemand achtete auf mich.«
    »Was hast du dagegen gemacht?«, fragte ich.
    »Er hat sich volllaufen lassen«, mischte sich meine Mutter ein, die den Kopf aus der Tür des Bühneneingangs streckte. Sie trug einen schwarzen Minirock aus Lack, ein rotes Tanktop und Teddy, der glücklich in seinem Tragegestell vor sich hin sabberte. »Zwei doppelte Whiskey vor jeder Show. Dir würde ich das allerdings nicht empfehlen.«
    »Deine Mutter hat vermutlich recht«, sagte mein
Vater. »Das Jugendamt sieht es nicht gerne, wenn sich Zehnjährige betrinken. Außerdem machte es nichts, wenn ich zwischendurch die Trommelstöcke fallen ließ und auf die Bühne kotzte. Ich war ja ein Punk. Wenn du allerdings deinen Bogen fallen lässt und wie eine Brauerei stinkst, wirkt das womöglich nicht besonders elegant. Ihr Klassikleute seid ja in dieser Beziehung so zugeknöpft.«
    Jetzt lachte ich richtig. Ich hatte immer noch Angst, aber der Gedanke, dass ich das Lampenfieber vielleicht von meinem Vater geerbt hatte, war irgendwie tröstlich; ich war also doch kein Wechselbalg.
    »Was ist, wenn ich es vermassele? Was, wenn ich mies spiele?«
    »Mia, dort drin ist so viel Mieses zu hören, dass du gar nicht auffallen würdest«, sagte meine Mutter. Teddy quietschte zustimmend.
    »Aber ernsthaft – wie hast du deine weichen Knie überwunden?«
    Mein Vater lächelte immer noch, aber ich merkte, dass er jetzt ernsthaft sprach, weil er seine Worte langsam und behutsam setzte. »Gar nicht. Man muss einfach damit leben. Man muss sich durchkämpfen.«
    Und so ging ich auf die Bühne. Ich habe die Zuhörer nicht von den Beinen gefegt. Ich habe sie nicht zu stehenden Ovationen hingerissen, aber ich habe es auch nicht vermasselt. Und nach dem Konzert bekam ich mein Geschenk. Es saß auf dem Beifahrersitz des
Autos, das Cello, und sah genauso menschlich aus wie das, von dem ich mich zwei Jahre zuvor so magisch angezogen gefühlt hatte. Es war nicht

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