Wenn ich dich gefunden habe
das zu kurze Tischbein zu schieben. »Viel besser«, sagte er, als er gleich darauf unter dem Tisch hervorgekrochen kam.
Dara startete einen neuen Versuch. »Ich hätte es schon früher erwähnen sollen …«
Ian knöpfte sein Sakko auf, zog es aus, faltete es sorgfältig zusammen (Mrs. Flood wäre sehr angetan gewesen) und deponierte es behutsam auf dem Hocker neben sich.
»Ich meine, vielleicht fliege ich im Endeffekt gar nicht nach Paris, aber …«
Ian setzte sich und rückte seinen Hocker zurecht, sodass die Holzbeine laut über den unebenen Steinboden schrammten und Dara erneut unterbrachen.
Sie nahm einen großen Schluck von ihrem Bier.
Als Ian endlich saß, musterte er sie mit einem bekümmerten Lächeln und sagte: »Meine kleine Dara hat also einen Kurztrip nach Paris geplant, ohne mir davon zu erzählen.« Er zuckte die Achseln, als hätte er immer geahnt, dass sie das irgendwann tun würde. Als wäre es nur eine Frage der Zeit gewesen.
Dara rang mit sich. Die Entschuldigung lag ihr schon auf der Zunge, die Lippen formten bereits die Worte. »Nein, ich meine, es ist eine rein geschäftliche Sache, und nur für eineinhalb Tage. Es ist auch kein großes Geheimnis – ich habe es dir nur nicht erzählt, weil es nichts zu erzählen gibt. Und außerdem habe ich noch nicht einmal einen gültigen Pass. Miss Pettigrew versucht zwar, die Sache zu beschleunigen, aber ich weiß nicht …«
»Miss Pettigrew?«
»Unsere Nachbarin«, erklärte Dara.
»Oh.« Ian ließ mit affektierter Konzentriertheit den Zeigefinger auf dem Glasrand kreisen.
»Ich suche meinen Vater, musst du wissen«, begann Dara. »Er hat uns vor langer Zeit verlassen. Noch vor meiner Geburt. Und meine Schwester Angel, die eigentlich Angela heißt, aber wir nennen sie seit Jahr und Tag Angel, weil sie … ach, das tut nichts zur Sache. Worauf ich hinauswill, ist: Angel braucht eine neue Niere. Sie ist Dialysepatientin, und, na ja, es ging ihr in letzter Zeit nicht gut, und da kam ich auf die Idee – also, genau genommen war es Anyas Idee, aber jedenfalls … suche ich Mr. Flood. Meinen Vater. Und es könnte sein, dass er in Paris lebt. Und falls nicht, gibt es dort eine Frau, die uns vielleicht weiterhelfen kann. Deshalb fliege ich nach Paris, aber ich bin rechtzeitig für unsere Verabredung am Samstag wieder da.« Dara war ein wenig außer Atem, als sie nun so plötzlich abbrach, wie sie angefangen hatte. Sie nahm ihr Glas, leerte es und versuchte, nicht an Zigaretten zu denken. Wie gern hätte sie jetzt eine geraucht!
Ian schwieg, ließ weiter den Finger über den Rand seines Glases wandern. Schließlich hob er den Kopf und lächelte schmal. »Das klingt ja wie eine Folge von EastEnders«, bemerkte er.
Dara lief rot an. Ian hasste EastEnders, genau wie alle anderen Seifenopern. Er hätte sich nie mit Tintin verstanden.
Dara schob unwillkürlich das Kinn nach vorn. »Tja, das mag dir alles etwas befremdlich erscheinen, aber so ist es nun einmal. Leider.« Sie ertappte sich bei dem Gedanken, dass sie keinen Grund hatte, sich zu entschuldigen, und deshalb tat sie es auch nicht.
Ians Züge wurden weicher. Er griff über den kleinen Tisch hinweg nach ihrer Hand und drückte sie. »Ich
wünschte nur, du hättest mich schon etwas früher eingeweiht, Darling. Es betrübt mich sehr, dass du ohne mich nach Paris fliegst. Und das im Frühling. Wir sollten mal zusammen wegfahren. Aber meiner Mutter geht es so schlecht, und meiner Karriere …« Er verstummte und starrte ins Leere.
Dara verspürte eine Mischung aus Erleichterung, weil es endlich heraus war, und Dankbarkeit, weil er ihr offenbar nicht böse war. Aber da war noch etwas anderes. Warum hatte sie es ihm bis jetzt nicht erzählt? Redeten normale Paare nicht über solche Angelegenheiten? Zugegeben, sie waren kein normales Paar. Ihre Beziehung führte nirgendwohin, und das war Dara ganz recht so. Oder? Keine Erwartungen.
Doch das Motto »keine Erwartungen« hatte sie hierhergeführt, in diese schummrige Kneipe. Sie hatte ihr Leben in einem einzigen Absatz zusammengefasst, und es hatte geklungen wie eine Folge von EastEnders. Und obwohl Tintin immer behauptete, EastEnders sei die Bienenkönigin unter den Soaps, empfand Dara eine gewisse Unsicherheit. Zweifel. Sie kitzelten sie wie eine Haarsträhne, die einem ins Gesicht hängt.
Ian schien ihre Unruhe auch zu spüren, denn er verkündete urplötzlich: »Wir fliegen nach Paris. Nicht jetzt gleich, natürlich. Du hast ja gerade
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