Wenn ich dich gefunden habe
so einiges um die Ohren mit dieser … Mission.« Er lächelte, als er das sagte, als wäre die Suche nach Mr. Flood nur ein kindisches Abenteuer. Tja, vermutlich konnte man nicht von ihm erwarten, dass er es verstand. »Aber bald. Vielleicht im Herbst. Ich könnte meine Mutter auf Erholungskur schicken, sofern sie einverstanden ist. Und dann zeige ich dir das richtige Paris. Das echte Paris.«
Darauf fiel Dara beim besten Willen keine passende Antwort ein.
»Bleib, wo du bist«, befahl Ian. Er stand auf und klopfte sich den Hosenboden ab, wie er es immer tat, wenn er von einem der Hocker in diesem Pub aufstand. »Ich hole dir jetzt noch einen Drink, und dann erzähle ich dir von diesem sagenhaften kleinen Bistro am linken Seine-Ufer, das ich bei meinem letzten Aufenthalt in Paris entdeckt habe. Ich sage dir, die Schnecken dort sind zum Niederknien.« Er strahlte, als er das sagte, und normalerweise hätte Dara zurückgelächelt und interessiert nachgefragt, wie die Schnecken zubereitet waren und mit welchen Beilagen sie serviert wurden, vielleicht mit dem Hintergedanken, selbst einmal welche zu machen. Doch diesmal spürte sie nur, wie sich etwas Kühles in ihr breitmachte, das sich anfühlte wie … Enttäuschung. Dieses Gefühl war neu, jedenfalls im Zusammenhang mit Ian. Wahrscheinlich, weil sie bislang keine Erwartungen gehegt hatte. Doch nach ihrer Schilderung gerade eben hatte sie offenbar irgendetwas erwartet, und was auch immer es war, es war ausgeblieben, denn jetzt war sie eindeutig enttäuscht. Und Enttäuschung ist bekanntlich wie Trockenfäule: Wo sie sich einmal festgefressen hat, ist sie kaum wieder loszukriegen.
Draußen hatte es aufgehört zu regnen. Dara lehnte Ians Angebot, sie nach Hause zu fahren, ab. »Ich bin mit dem Rad da«, sagte sie. »Und ich muss noch einiges erledigen. Packen und so.«
»Ich dachte, es ist nur für eineinhalb Tage?« Ian hob die perfekt gezupften Augenbrauen.
»Stimmt, aber … ich muss trotzdem packen. Und meinen Boarding Pass ausdrucken und all das.« Dara zog sich
ihre neongelbe Warnweste über den Kopf. Plötzlich konnte sie es kaum erwarten, sich auf den Weg zu machen.
»Denk an den kleinen Platz, von dem ich dir erzählt habe. Die Büste von Ludwig XIV. ist ein wunderbares Beispiel neoklassizistischer Kunst.« Ian hatte ihr eine ganze Reihe von Orten aufgezählt, die sie besuchen sollte. Orte, von denen sie noch nie gehört hatte, mit Statuen von Menschen, deren Namen ihr kein Begriff waren. Er schien anzunehmen, dass sie jede Menge Zeit für die Besichtigung von Sehenswürdigkeiten haben würde. Im Grunde war er nach ihrer raschen Zusammenfassung nicht weiter auf die Umstände ihrer Reise eingegangen, abgesehen von einem kurzen Kommentar über ihren schlitzohrigen Vater und dessen Neigung zu Verantwortungslosigkeit und Betrügereien, die hoffentlich nicht erblich war.
Am Thema Stanley Flinter dagegen hatte er großes Interesse gezeigt. »Ein Privatdetektiv? Was für eine schmierige Art, sich seinen Lebensunterhalt zu verdienen.«
»Er war überaus hilfsbereit«, platzte Dara heraus, worauf Ians Augen förmlich aus den Höhlen zu treten drohten. Er erinnerte sie an eine Kröte. Sie dachte an Stanleys schwarzbraune Augen, daran, wie sie aufleuchteten, wenn er sein langsames, vorsichtiges Lächeln lächelte.
»Hilfsbereit?«, stieß Ian hervor, als wäre dieser Wesenszug eine ansteckende Krankheit. Seine Haltung zu Stanley Flinter – sie hätte ihm niemals verraten dürfen, wie alt Stanley war, aber er hatte sie nun einmal danach gefragt – gepaart mit Daras unterschwelliger Enttäuschung führten dazu, dass sie immer gereizter wurde.
»Jawohl, hilfsbereit«, wiederholte sie etwas lauter als nötig, »und liebenswürdig und aufmerksam und unvoreingenommen, was ja wirklich löblich ist in Anbetracht
der Tatsache, dass die ganze Geschichte an eine Folge von EastEnders erinnert, wie du es ausgedrückt hast, nicht?«
Liebenswürdig? Aufmerksam? Unvoreingenommen? Dara hatte nicht geplant, Stanley vor Ian mit diesen Worten zu beschreiben, aber sie entsprachen der Wahrheit.
Ian blähte mehrmals die Nasenflügel. »Die Bemerkung von wegen EastEnders war nur ein Scherz, Dara. Ich dachte, du hättest einen Sinn für Humor.«
»Den habe ich auch, aber ich finde die Situation nun einmal nicht zum Lachen.«
»Nein, das ist sie wohl nicht.« Ian nahm sein Handy aus der Tasche und warf einen Blick auf das Display. »Aber es ist doch kein Wunder, dass ich
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