Wenn ich dich gefunden habe
Pettigrew wissen.
»Ja, aber sie war nicht für Angel geeignet.«
Miss Pettigrew tätschelte Dara den Kopf. »Du machst ganz schön viel mit.«
»Nicht ich, sondern Angel. Sie wartet schon so lange und …«
»Du aber auch. Du hast dein ganzes Leben auf Eis gelegt.«
»Das ist trotzdem etwas anderes. Ich …«
»Das Leben ist kurz, Dara. Du glaubst gar nicht, wie kurz. Man darf keine Minute verschwenden. Nicht, wenn man jung ist.« Miss Pettigrew starrte auf ihre verräterisch runzligen Hände. Sie hasste sie, weil sie sich nicht verstecken ließen.
»Wie geht’s Mrs. Flood?«, fragte sie.
Dara schüttelte den Kopf und zuckte die Achseln. »Sie liegt mit Migräne im Bett.«
»Sie kann von Glück sagen, dass sie dich hat.«
Dara nickte und schwieg. Sie wagte zu bezweifeln, dass ihre Mutter das auch so sah. »Wenn ich nur irgendetwas tun könnte.«
»Aber du tust doch schon so viel«, sagte Miss Pettigrew. »An deinen freien Tagen leistest du Angel bei der Dialyse Gesellschaft, und du kochst und backst und sorgst dafür, dass die paar Sachen, die sie essen darf, wenigstens gut schmecken.«
»Ich meine, irgendetwas Handfestes. Ich würde ihr so gern helfen. Wenn ich ihr eine Niere spenden könnte …«, sagte Dara wie so oft und verstummte.
»Makronen.« Miss Pettigrew schoss förmlich von ihrem Fauteuil hoch, sodass Dara praktisch jeden einzelnen Knochen in ihrem Rücken knarzen hören konnte.
Sie verputzten den ganzen Teller, mit Schlagsahne und Schokoladeneis, gefolgt von einem Glas Sherry. Dara nahm das klebrig süße Gebräu nur, weil sie wusste, dass Miss Pettigrew nachmittags nicht gern allein trank, denn das war in ihren Augen »der sichere Weg ins Verderben«.
Edward erhielt seinen Sherry in der Porzellanschüssel,
die Dara ihm gekauft hatte. »Nur ein Schlückchen jeden Tag, das tut ihm gut«, winkte Miss Pettigrew stets ab, wenn Dara deswegen Bedenken äußerte. Er schlang zwei Makronen hinunter, ohne zu kauen, dann holte er die Leine und sein Mäntelchen legte sie Dara vor die Füße.
Dara stand auf. »Ich geh dann mal mit ihm raus.«
»Ob es wohl kühl ist?« Miss Pettigrew runzelte besorgt die Stirn. Sie sahen aus dem Fenster. Es war einer jener milden frühen Frühlingstage, die bereits vom Sommer künden. Die Sonnenstrahlen, die durch das Fenster hereinfielen, wärmten ihnen die Gesichter. Es war nicht kühl.
»Wir sind nicht allzu lange weg.« Dara hakte die Leine an Edwards Halsband fest. »Ich muss bald zurück sein, um Angel zur Dialyse zu fahren.« Dara wusste zwar noch nicht, wie sie Angel dazu bewegen sollte, ihr Zimmer zu verlassen, aber das behielt sie für sich. Miss Pettigrew hatte heute schon genug Aufregung gehabt.
»Sieh zu, dass er sich nicht überanstrengt, ja?« Miss Pettigrew streichelte dem Pudel über den Kopf.
»Keine Sorge, wir sind im Handumdrehen wieder da«, versprach Dara. »Kommen Sie doch mit, wenn Sie Lust haben.«
»Heute nicht, danke, meine Liebe.« Die übliche Antwort. »Countdown fängt in ein paar Minuten an«, sagte Miss Pettigrew und dann, zu Edward gewandt: »Gib Mummy ein Küsschen«, worauf der Pudel artig den Hals reckte und ihr mit seiner kleinen rosa Zunge über die Nasenspitze leckte.
Edward lief nicht, er stolzierte hoch erhobenen Hauptes und auf Zehenspitzen umher wie eine Primaballerina. Er war bei den Nachbarshunden beliebt und bestand darauf, bei jedem, der ihnen über den Weg lief, stehen zu
bleiben und ihn je nach Gelegenheit vorn oder hinten zu beschnüffeln.
Wenn Dara wie jetzt die Raheny Road entlangging, dachte sie manchmal an ihren Vater, der vor siebenundzwanzig Jahren hier entlanggegangen und verschwunden war, und dann fragte sie sich, was er damals wohl gedacht haben mochte. Hatte er es von langer Hand geplant, oder war es eine spontane Entscheidung gewesen? Hatte ihn der Anblick des großen Kartons mit dem Babybettchen im Flur in die Flucht getrieben? Noch ein Bettchen. Noch ein Baby. So bald nach Angel. Mrs. Flood sprach zuweilen von jenem Jahr. Das Jahr, in dem sie geheiratet und Angel bekommen hatte. Ein Jahr, mehr war ihr nicht vergönnt gewesen. Aber sie war glücklich gewesen. Sie wirkte glücklich, wenn sie davon erzählte. Von den Sonntagsmahlzeiten – gefüllter Braten mit Soße, danach Apfelkuchen, gefolgt von einem Spaziergang im Park, bei dem Mr. Flood den Kinderwagen mit Angel schob, während Mrs. Flood zu dem Eiswagen draußen auf der Straße lief, der das beste Eis nördlich der Liffey feilbot. Sie
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