Wenn ich dich gefunden habe
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Deine Mutter (Mrs. Flood)
Dara wunderte sich schon lange nicht mehr darüber, warum ihre Mutter jede Nachricht an Angel und sie mit Deine Mutter (Mrs. Flood) unterschrieb.
Sie schälte sich mühsam aus ihrem Dufflecoat und setzte sich mit einem Bier auf die uralte Schaukel im Garten, wo sie so viele Zigaretten rauchte, bis sie vor Ekel den Wunsch verspürte, mit dem Rauchen aufzuhören. Dann kehrte sie zurück in die winzige Küche ihres Hauses. Sie wollte etwas Besonderes kochen, etwas Fleischiges, das sie alle ein bisschen aufbauen würde. Nach einer Sondierung des Kühlschrankinhalts und der vorhandenen Vorräte entschied sie sich für Lasagne. Die aßen sie alle gern. Und zum Nachtisch ein verkehrter Apfelkuchen. Es war zwar keine Sahne da, aber mit Daras selbstgemachter Vanillesauce, cremig und gelb und süß, würde er genauso gut schmecken.
Bald war die kleine Küche erfüllt von Kochgerüchen und -klängen, und Dara spürte, wie die Anspannung der vergangenen zwei Wochen allmählich von ihr abfiel. Sie rührte die Eier schaumig, rieb Muskat, zerdrückte Knoblauch, hackte Zwiebeln, briet Fleisch in der Pfanne an, wusch Basilikumblätter und fügte den gedämpften Äpfeln Rosinen und Zimt hinzu. Dabei dachte sie weder an Zigaretten noch an Angels Niereninsuffizienz noch an Anyas
Rat, was Mr. Flood anging. Nein. Sie piekste und schnippelte und raspelte und rührte und dachte an absolut gar nichts. Sie hatte nie genau sagen können, warum sie das Kochen und Backen so liebte, aber genau das war der Grund: Es ließ sie ihre Sorgen vergessen. Und wenn man wie sie ständig einen riesigen Sorgenberg mit sich herumschleppte, dann war es nicht nur ratsam, sondern absolut unerlässlich, diesen Berg gelegentlich hinter sich zu lassen. Sie griff nach dem Meersalz, schüttete sich ein kleines Häufchen in die hohle Hand, und die Körnchen, die danebengegangen waren, warf sie sich über die Schultern. Sicherheitshalber über beide.
Als Angel und Mrs. Flood nach Hause kamen, war das Essen fertig. Der Kuchen stand im Rohr und ging kaum merklich auf, und auf der Lasagne blubberte der Käse vor sich hin. Der Tisch war gedeckt – mit dem schönen Silberbesteck, das Mrs. Flood als Hochzeitsgeschenk von ihrer Großmutter erhalten hatte, und mit den übrigen Kerzen vom letzten Weihnachtsfest. Dara hatte sich sogar umgezogen (sprich, sie trug statt ihrem Arbeitsjogginganzug den Freizeitjogginganzug, aber immerhin) und sich etwas Parfüm hinter die Ohren gesprüht, um den Hundegeruch zu überdecken, den ihre Mutter nicht ausstehen konnte.
Mrs. Flood legte den Mantel ab und zog Angel hinter sich her in die Küche.
»Ist das nicht großartig, Angel?«, rief sie übertrieben fröhlich, um Angel eine Reaktion zu entlocken. Dara drehte sich zum Herd um. Sie ertrug es nicht, Angel ins Gesicht zu sehen, seit es so mutlos und eingefallen wirkte. Angel schob die Magneten auf der Kühlschranktür hin und her, die Mrs. Flood gesammelt hatte. »Ich glaube, ich gehe lieber gleich ins Bett«, sagte sie, ohne Dara anzusehen.
»Nein«, sagte Dara entschlossen. Mrs. Flood und Angel musterten sie erstaunt.
»Ich meine, komm schon, Angel. Iss mit uns. Ich habe deinen Lieblingsnachtisch gemacht.«
»Tut mir leid, aber ich bin nicht besonders hungrig«, beharrte Angel. Sie steuerte auf die Küchentür zu, doch Dara war vor ihr dort und schloss sie energisch.
»Ich muss mit dir reden«, sagte sie, die Hand auf dem Knauf. »Mit euch beiden«, fügte sie mit einem Blick zu ihrer Mutter hinzu.
Angel ließ sich schweigend am Küchentisch nieder, ohne den Mantel auszuziehen. Sie saß auf der Stuhlkante, als hätte sie nicht vor, lang zu bleiben.
Mrs. Flood nahm neben ihr Platz. Dara spürte ihren erwartungsvollen Blick im Rücken, als sie die Backofentür öffnete, um die Aufl aufform herauszuholen.
»Was hast du denn gekocht?«, fragte Mrs. Flood.
»Lasagne.«
»Du weißt doch, Angel darf nicht so viel Käse essen.«
»Es ist so gut wie gar kein Käse drin. Ich hab nur ein wenig oben draufgestreut«, sagte Dara. »Aber es gibt eine Käsesauce für uns zwei.«
»Na, dann …« Mrs. Flood seufzte matt.
Und da sahen sie es. Angels Kopf war tiefer und tiefer gesunken, bis ihr Gesicht beinahe die Tischplatte berührte, und dann tropfte eine einzelne Träne auf den Teller, der vor ihr stand. Mrs. Flood biss sich auf die Unterlippe. Niemand sagte etwas. Dass Angel am Küchentisch weinte, das war neu. Die Angst, die Dara in den
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