Wenn ich dich gefunden habe
winseln konnte. Als die erwartete Reaktion ausblieb, erzählte sie die zensierte Version der Geschichte von Tintins Date mit einem Lehrer, das in der Vorwoche stattgefunden hatte. Besagter Lehrer hatte sich erst kürzlich als schwul geoutet und war mit Tintin sichtlich überfordert gewesen. Kein Wunder, hatte dieser doch seine Eltern bereits im zarten Alter von elf Jahren über seine bisexuelle Veranlagung informiert. Leider gingen durch die Zensur die meisten lustigen Details der Geschichte flöten, und die Pointe (»Dafür gibt es aber nur eine Drei minus«) konnte nur Mrs. Flood ein halbherziges Lachen entlocken.
Immerhin schaffte es Dara auf diese Weise, die Zeit bis nach dem Dessert zu überbrücken, und erst, als sie Teewasser aufstellte, kam Angel auf die Suche nach Mr. Flood zu sprechen.
»Dein Plan wird nicht aufgehen«, sagte sie.
»Es ist unwahrscheinlich«, räumte Dara ein. »Aber nicht unmöglich.«
Angel schüttelte den Kopf.
»Vielleicht hat er sich ja geändert«, sagte Dara.
Und da lachte Mrs. Flood. Ein hässliches, humorloses Lachen, bei dem ihre Züge verzerrt waren vor Verbitterung. »Angel hat wie immer recht«, sagte sie. »Manches ändert sich nie.«
Dara gab nicht auf. »Er war doch mal ein anständiger, liebenswürdiger Mann. Als ihr geheiratet habt. Das hast du selbst gesagt. Du hast gesagt ihr wart glücklich.«
Mrs. Flood schnaubte. »Das ist lange her.«
»Mam, ich weiß, das ist schwer für dich, und es tut mir leid, aber ich muss es versuchen. Verstehst du das?«
Mrs. Flood schüttelte den Kopf. »Er hat nicht nur mich verlassen, sondern uns alle«, setzte sie hinzu, als hätte Dara nichts gesagt. Wut blitzte in ihren Augen auf. »Er hat nicht einmal abgewartet, bis du auf der Welt warst. Er ist gegangen, einfach so. Dreizehn Tage vor deiner Geburt. Ich war jung. Ich musste zwei kleine Kinder versorgen. Allein, ganz ohne Hilfe.« Diese Tirade hatten Dara und Angel schon unzählige Male gehört, und sie war noch nicht zu Ende. Dara versuchte, die Unterhaltung wieder auf Kurs zu bringen.
»Es ist einen Versuch wert, findest du nicht, Angel?«
»Ich glaube kaum, dass es etwas bringen wird«, winkte diese ab.
»Aber es könnte etwas bringen«, konterte Dara.
»Aber es ist höchst unwahrscheinlich.«
»Das schon, aber nicht unmöglich, stimmt’s?«
Angel zuckte die Achseln, und damit war das Thema
vorerst abgehakt. Kurz darauf ging Angel nach oben, weil sie müde war, wie sie sagte, und Dara war wieder mit Mrs. Flood allein.
»Das hättest du mit mir besprechen sollen, ehe du deiner Schwester davon erzählst«, sagte Mrs. Flood gepresst. Sie klang erschöpft.
»Du hättest doch nur versucht, mich davon abzubringen.«
»Du weckst falsche Hoffnungen bei Angel.«
»Im Gegenteil. Ich will, dass sie neue Hoffnung schöpft.«
»Du wirst sie enttäuschen.«
»Ich versuche nur zu helfen.«
»Im richtigen Leben gibt es keine Happy Ends. Die gibt es nur im Märchen, Dara.«
Dara schwieg. Was hätte sie darauf auch entgegnen sollen? Nachdem sich Mrs. Flood mit ihrem Glas und der halbleeren Flasche Wein ins Wohnzimmer begeben hatte, sank Dara auf einen Stuhl. Wenn sie ehrlich war, musste sie ihrer Mutter und Angel recht geben – die Suche nach Mr. Flood war ein fragwürdiges Unterfangen. Aber Angel hatte aufgehört zu weinen, und sie hatte ein wenig Lasagne und ein Stück Kuchen gegessen. Daras Suche nach Mr. Flood war die ideale Ablenkung, um Angel das endlose Warten etwas erträglicher zu machen. Es konnte Wochen, wenn nicht gar Monate dauern, ihn aufzustöbern, und vielleicht fand sich ja in der Zwischenzeit eine passende Niere. Es konnte im Grunde jeden Tag geschehen. Selbst jetzt, in diesem Augenblick, konnte der Anruf kommen. Und bis es so weit war, konnte sich Angel mit dem Gedanken trösten, dass es einen Plan B gab, so verrückt er auch sein mochte. Es konnte klappen. Und selbst wenn es nicht klappte: Sie hatten nichts zu verlieren.
14
Miss Pettigrew kannte eine ganze Menge Leute, wenn man bedachte, was für ein zurückgezogenes Leben sie führte.
»Ich wüsste da jemanden, der dir vielleicht helfen kann«, sagte sie, als Dara tags darauf rüberging, um Edward abzuholen.
»Helfen? Wobei?«
»Na, bei der Suche nach Mr. Flood.«
Miss Pettigrew war auch immer bestens informiert. Sie hatte die Geschichte aus Mrs. Flood herausgekitzelt, als diese am Vormittag bei ihr gewesen war, um ihr eine lila Haartönung zu verpassen. »Lila ist in«, hatte sie zu Mrs. Flood
Weitere Kostenlose Bücher