Wenn ich dich gefunden habe
war.
»Warte, bis du erst den Ausblick von dort oben siehst«, hatte er gesagt, nachdem sie ihn zum wiederholten Male gefragt hatte, was er denn dort oben wolle.
»Scheiß auf den Ausblick, Stan. Sieh dir mal meine Frisur an, um Himmels willen.« Tatsächlich hatte der Wind ihre blonde Mähne, die ansonsten ein leuchtendes Beispiel für gepflegtes Haar war, in ein zotteliges Gestrüpp verwandelt.
»Ich habe Schokolade dabei«, hatte er gesagt.
»Gib sie mir.«
»Wenn wir oben sind«, hatte er versprochen und ihre Hand genommen, um sie hinter sich her zu ziehen.
Vielleicht hatte es am Timing gelegen. Kurz nachdem er die Absage von der Polizei erhalten hatte, war Cora von
ihrer Weltreise zurückgekehrt. Er hatte nie so recht verstanden, warum sie sich ausgerechnet ihn ausgesucht hatte. Sie hatte ihn sich vorgenommen, wie man sich ein Projekt vornimmt. Und er hatte wider besseres Wissen zugelassen, dass sie sein Leben positiv beeinflusste. Das Leben, das er nicht gewollt hatte. Und allein dank ihrer körperlichen Anwesenheit war ihm sein Leben, sein neues Leben, plötzlich gar nicht mehr so jämmerlich erschienen wie anfangs erwartet. Cora war fröhlich und lustig, und sie bekam immer, immer, was sie wollte. Sie war ganz einfach nicht in der Lage, sich mit weniger zufriedenzugeben. Und eine Zeitlang hatte sie ihn gewollt. So einfach war das.
»Gut«, hatte Sissy gesagt, als ihr Stanley sein Leid geklagt hatte.
»Was soll daran gut sein?«
»Es war höchste Zeit, dass du dieses dämliche Foto loswirst. Es hat sogar mich ganz nostalgisch gemacht.« Und Sissy war sonst alles andere als nostalgisch veranlagt.
»Hm, aber die Kollateralschäden sind beträchtlich, findest du nicht?«, hatte Stanley beim Anblick seines verwüsteten Schlafzimmers gesagt.
»Das war es wert«, hatte Sissy gesagt.
Stanley war gerade mit einem Scheuerlappen und einer Flasche Cif im Bad zugange, als Sissy an diesem Abend nach Hause kam. Sie blieb an der Tür stehen und sah ihm zu. »Wir putzen das Bad doch immer erst am Donnerstag«, sagte sie. Mit »wir« meinte sie »du«, denn Sissy zog es vor, einen gesunden Abstand zu Schrubbern und Klobürsten einzuhalten. Stanley ließ es ihr durchgehen, weil er Konfrontationen hasste und weil Sissy dafür Clouseaus Körperpflege übernommen hatte. Nach Stanleys erstem diesbezüglichem
Versuch hätte er lieber jedes WC im ganzen Land geschrubbt, ehe er sich dem Hund noch einmal mit einem Eimer Seifenlauge und einem Schwamm genähert hätte.
»Ich weiß«, sagte Stanley, »aber am Donnerstagabend bin ich beruflich unterwegs und komme womöglich nicht dazu.«
»Aber heute ist erst Montag«, bemerkte Sissy. »Und das Bad ist noch gar nicht wirklich dreckig. Das ist doch eigentlich Zeitverschwendung, nicht?« Er antwortete nicht, also setzte sie sich auf den Badewannenrand, ohne ihn aus den Augen zu lassen. »Unten riecht es eigenartig.«
»Ähm, ich habe ein Duftspray gekauft«, gab Stanley zu und spritzte reichlich WC-Ente unter den Rand der Kloschüssel. »Das ganze Haus riecht nach Clouseau.«
»Verstehe.« Sissy beugte sich nach vorn und schnüffelte. »Du riechst auch ziemlich gut. Neues Aftershave?«
»Ich war in der Mittagspause bei Debenhams, um einen Teddybär für Baby Cora zu kaufen, und auf dem Weg durch die Kosmetikabteilung hat mir eine der Verkäuferinnen was draufgesprüht.« Stanley klappte den Toilettendeckel zu, besprühte ihn mit Desinfektionsmittel, trocknete ihn ab und ließ sich darauf nieder. Er war frisch rasiert und hatte seine Stirnfransen mit Haargel gebändigt. Sissys Haargel, aber das musste er ihr ja nicht auf die Nase binden.
»Hmm«, sagte Sissy und betrachtete ihn nachdenklich.
»Was ist?« Stanley bemühte sich um eine verwirrte Miene. Sissy legte den Kopf schief und musterte ihn mit ihrem Hör-auf,-mich-zu-verscheißern -Blick. »Wann kommt sie?«
Er lehnte sich seufzend an den Wasserkasten. »Sie schauen auf dem Nachhauseweg vom Ehevorbereitungskurs kurz vorbei.«
Sissy schnaubte. »Mit einem Ehevorbereitungskurs ist es bei den beiden garantiert nicht getan.« Sie legte ihm eine Hand auf die Schulter. »Ich wünschte, du würdest ihretwegen nicht so einen Aufwand betreiben, das ist alles.«
»Ich habe keinen … Ich bin nicht … Ich wollte bloß …«
»Du hast auch etwas gebacken, oder? Ich rieche es, trotz diesem grauenhaften Duftspray. Wer will denn überhaupt, dass sein Zuhause nach Kiefernnadeln riecht, und warum?«
»Es soll
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