Wenn ich dich gefunden habe
dabei wusste sie selbst nicht so recht, worauf sie hoffte.
»Immer mit der Ruhe, meine Liebe. Dazu kommen wir noch.« Slither schnappte sich den Whiskey, den Stanley ihm soeben hingestellt hatte, und kippte ihn sich mit einer fast schon elegant anmutenden flüssigen Bewegung in die Kehle.
Als Stanley mit den restlichen Gläsern vom Tresen zurückkehrte, wandte Slither widerstrebend den Blick von Dara ab und musterte ihn verdrießlich, nahm aber das Pint entgegen, das er ihm gebracht hatte, und rutschte ein klein wenig zur Seite, damit er sich zu ihnen setzen konnte.
»Danke, Stanley.« Dara musste sich zur Seite beugen, um an Slithers massigem Oberkörper vorbeizusehen. Sie legte beide Hände um ihre Tasse und nippte an ihrem Tee, während sie Slithers Geschichten lauschte, von damals, als er und Mr. Flood noch zwei Jungspunde mit großen Plänen gewesen waren.
»Was für Pläne?«, hakte Dara interessiert nach.
Slither glotzte sie an, als hätte sie Russisch gesprochen, und griff nach seinem Bier. Sein Adamsapfel hüpfte bei jedem Schluck. Er ragte so scharf hervor, dass man fast erwartete, er könnte die überraschend zarte Haut an seinem Hals zerschneiden.
»Na, reich werden und Frauen vögeln«, sagte er schließlich und zwinkerte Stanley zu. »Du verzeihst mir doch
meine Ausdrucksweise«, fuhr er, zu Dara gewandt, mit gesenkter Stimme fort, als wäre ihm gerade wieder eingefallen, dass er über ihren Vater sprach. »Soweit ich weiß, ist keiner von uns beiden reich geworden«, setzte er hinzu und leckte sich mit der langen, gelblichen Zunge über die Lippen. Auf ihre Erfolge beim weiblichen Geschlecht ging er nicht näher ein, wofür Dara ihm dankbar war.
»Sag mal, würdest du dich eigentlich als Glückspilz bezeichnen?« , wollte er dann von ihr wissen.
»Na ja …« Sie wusste nicht recht, worauf er hinauswollte, bis sie den gelben Wettschein in seiner Hand sah. »Also, ich habe tatsächlich schon mal im Lotto gewonnen.«
Seine Augen weiteten sich. »Wie viel?«
»Sieben Euro.«
Slither schnaubte. »Dafür bekommt man noch nicht mal eine Packung Major.«
»Ich weiß. Es war um Ostern rum, und ich hab alles für Cadbury Cream Eggs ausgegeben, für meine Mutter, meine Schwester und mich.«
Slither verzog keine Miene, war aber von Daras Glück im Spiel sichtlich wenig beeindruckt. Trotzdem kam er offenbar zu dem Schluss, dass ein Gewinn ein Gewinn war, denn er wedelte mit der vor ihm liegenden Zeitung und bat sie, ihm einen Tipp für ein Rennen zu geben.
»Das kann ich nicht. Was ist, wenn das Pferd nicht gewinnt?«
»Ach, wann gewinnen die schon jemals? Außerdem ist es schön, zur Abwechslung mal wen anderen zu verfluchen als sich selbst.«
»Also gut.« Dara überflog die winzig gedruckten Namen und legte schließlich den Finger unter einen davon. »Das hier.«
Slither hatte so seine Zweifel an ihrer Wahl. »Dem seine Mutter war ein Esel, und sein Vater auch nicht besser.«
»Ich sagte doch, ich habe keine Ahnung.«
»Aber wenn mir eine Lottogewinnerin rät, ich soll auf …« – er beugte sich über die Zeitung – »Lord Lucan Returns setzen, dann hör ich wohl besser auf sie.«
Slither Smith redete ohne Punkt und Komma. Wann immer sein Glas halbleer war, schnüffelte er daran und sagte: »Mein lieber Schieber, stinkt das hier nach Seegras …« Beim ersten Mal hatten Stanley und Dara nur gelächelt, wie es höfliche Leute eben tun, wenn man ihnen einen Witz erzählt, den sie nicht verstehen. »Es herrscht Ebbe!«, hatte Slither erklärt und den Rest Bier im Glas geschwenkt.
Im Laufe der nun folgenden Stunden lösten sich Ebbe und Flut etliche Male ab, aber ganz egal, wie viele Gläser Bier Slither trank, ganz egal, wie schnell er mit den Kurzen nachspülte, er redete weiter, erzählte Anekdote um Anekdote, ohne auch nur ansatzweise zu lallen. Stanley und Dara versuchten, seinen Monolog auf Eugene Flood zu steuern, doch er ging nicht darauf ein, als wüsste er, dass er sein aufmerksames Publikum verlieren würde, sobald das Thema abgehakt war.
Dara sah, wie Stanley die Hand hob, um ein Gähnen zu kaschieren. Sie dachte an Angel, die Antidepressiva nahm. An ihre Mutter, die zu Hause wartete. Die schon viel länger wartete als sie alle. Dara hatte die Nase voll. Sie stand auf. Das Kreischen der Stuhlbeine auf den Steinfliesen ließ Slither einen Augenblick verstummen. Er war gerade mitten in einer verworrenen Geschichte von einem lahmenden Pferd und einem übergewichtigen Jockey,
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