Wenn ich dich gefunden habe
der zuletzt gesehen ward, als er mit einer Tüte Pommes und den Taschen voller Geld (angeblich Slithers hartverdientes Geld) in den
Bus nach Shercock stieg. Slither hatte nicht erwähnt, womit er sich dieses Geld so hart verdient hatte, aber es interessierte Dara auch nicht mehr.
»Du brauchst mir nichts zu holen«, winkte Slither ab, in einem Tonfall, den er wohl für »gentleman-like« hielt. »Ich hab noch. Im Moment jedenfalls.«
»Ich könnte Ihnen gar nichts mehr holen. Ich habe kein Geld mehr«, sagte Dara.
Slither seufzte und schüttelte den Kopf. »Was treibst du noch gleich dort oben in Dublin?« Das war die erste Frage, die er ihr stellte.
»Ich arbeite in einem Hundeasyl«, sagte Dara.
»Da verdient man sich ja nicht gerade ’ne goldene Nase«, stellte Slither fest, als wüsste sie das noch nicht.
»Und genau dort muss ich jetzt wieder hin.«
»Weißt du was, jetzt geb ich dir und deinem feschen Verehrer mal einen aus«, sagte Slither langsam, als fände er diese Vorstellung höchst befremdlich.
Dara sah ihn an. »Erzählen Sie uns dann von Eugene Flood?«
Slither grinste und haute mit der flachen Hand auf den Tisch. »Und ob! Verlass dich drauf!« Dann rief er in Richtung Tresen: »Nochmal dasselbe für uns!«
»Äh, nein. Ich nehme eine Flasche Corona«, korrigierte ihn Dara. Sie konnte keinen Tee mehr sehen.
»Ich auch«, fügte Stanley hinzu und lächelte sie an.
Slithers Gesichtsfarbe wechselte von weiß zu rot und dann zu violett, als würde ihn gerade jemand erdrosseln. »Meinetwegen«, krächzte er mit einer Stimme, die bedeutend höher klang als eben noch, und erhob sich.
In diesem Moment machte sich bei ihm plötzlich der Alkohol bemerkbar. Dara konnte förmlich hören, wie das
Gemisch aus Bier und Whiskey in seinem Magen hin und her schwappte, als er mit unsicheren Schritten auf die Bar zusteuerte, wobei er sich schwer auf den Rückenlehnen der Stühle abstützte, die er passierte.
Er hätte es beinahe geschafft, doch dann tappte er nach einem Stuhl, den nur er sehen konnte, griff ins Leere und kippte wie in Zeitlupe um, gleich einem Baum, den die Axt des Holzfällers überrascht hat. Er gab keinen Ton von sich, während er fiel. Es sah ziemlich spektakulär aus, und es dauerte eine ganze Weile. Zumindest kam es Dara so vor. Sie konnte nur zusehen, wie sein Kopf mit einem entsetzlichen Krachen, bei dem sie unwillkürlich die Zähne zusammenbiss, auf dem Boden aufschlug. Sie rannte zu Slither und kniete sich neben ihn. Er war bewusstlos.
»Schnell! Ich glaube, wir müssen …«
Doch der Barkeeper hatte bereits zum Telefon gegriffen und eine Nummer gewählt. »Slither hat sich mal wieder hingelegt«, teilte er dem Angerufenen gelangweilt mit. »Ja. Total k.o.« Er lauschte kurz, dann beugte er sich über den Tresen und fragte Dara: »Blutet er?«
Es war Stanley, der Slithers Kopf anhob, ganz vorsichtig, wie ein rohes Ei, und Dara spähte darunter. Slither hatte eine Platzwunde am Hinterkopf, aus der ein paar kümmerliche Tropfen Blut sickerten. Sie nickte.
»Nur ein bisschen«, informierte der Barkeeper seinen Gesprächspartner. »Du kennst ihn ja, er hasst Verschwendung.« Dann legte er seufzend auf. »Möchten Sie etwas trinken, während Sie warten?«, fragte er aufgeräumt, als hätte er noch gar nicht bemerkt, dass mitten in seinem Lokal ein Mann auf dem Boden lag wie eine frische Leiche.
»Äh, nein danke«, sagte Dara. »Haben Sie gerade mit einem Arzt telefoniert?«
»Aye«, erwiderte der Barkeeper. »Dr. Mac wird gleich da …«
Im selben Augenblick ertönte hinter Dara eine Stimme. »Wo ist er denn, der alte Depp?« Sie drehte sich um und erblickte einen Mann, der so fett war, dass er nur seitwärts durch die Tür passte. Er wirkte gereizt, als hätte man ihn bei einer angenehmen Tätigkeit gestört – beim Verzehr einer Käsesahnetorte mit Erdbeeren zum Beispiel. Als er Dara erblickte, blieb er wie angewurzelt stehen. »Also, wenn du nicht mit Eugene Flood verwandt bist, dann fress ich einen Besen, und zwar mitsamt der Putzfrau.« Er sah aus, als hätte er genau das bereits getan. Und nicht nur einmal.
Dara nickte. »Ich bin seine Tochter.«
»Na, da hat er ja wenigstens einmal in seinem Leben etwas ordentlich hingekriegt.« Der Arzt kniete sich grunzend neben Slither auf den Boden, worauf dieser stöhnte und den Kopf anzuheben versuchte.
»Bleib liegen«, befahl ihm Dr. Mac unwirsch. »Dein letztes Stündlein hat geschlagen.«
Dara wurde blass. »Ist das
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