Wenn ich dich gefunden habe
lieber pikante oder süße Füllung mögen, also habe ich beides gemacht«, bemerkte er. »Apfel-Zimt-Füllung auf der einen Seite und Rindfleisch-Zwiebel auf der anderen. Mit einer Trennwand aus Teig in der Mitte.«
Dara biss in die noch warme Teigtasche. Sie hatte die
pikante Seite erwischt. Der Teig zerging ihr förmlich auf der Zunge. Sie schloss die Augen. Das war Seelentröster-Essen, wie es im Buche stand. Aber auch interessant. Sie schmeckte Basilikum und Tomaten, Schnittlauch und Rosmarin. Sie aß weiter, bis die pikante Hälfte weg war. Sie konnte nicht anders.
Beim letzten Bissen nickte sie Stanley zu und lächelte, so gut es mit vollem Mund ging.
»Sie mögen also pikante Teigtaschen?«, fragte er.
»Ja, aber süße mag ich auch.«
»Das dachte ich mir«, sagte er, und es klang, als hätte er sich darüber ausgiebig den Kopf zerbrochen.
Ehe sie sich die süße Seite zu Gemüte führte, nahm Dara noch einmal einen Zug von ihrer Zigarette, nur um sicherzugehen, dass Stanley es auch bemerkt hatte. Er hatte, aber wie es schien, würde er sich nicht dazu äußern. Dara lächelte und widmete sich wieder ihrer Teigtasche.
Der Kaffee kam aus der Thermoskanne, Stanley hatte ihn heute Morgen aus frisch gemahlenen Bohnen gebrüht. Sein Duft erinnerte Dara an Italien – zumindest stellte sie sich vor, dass es in Italien so roch. Sie teilte diesen Gedanken mit Stanley Flinter, wohl, weil sie sich ein bisschen so vorkam, als wäre sie im Urlaub, und er stimmte ihr zu.
»Waren Sie schon mal in Italien?«, fragte sie ihn.
»Nur einmal, in Rom. Als mein Bruder Declan geheiratet hat.« Der Ansatz von Schwermut in seinen Worten wollte nicht so recht zu diesem wunderschönen, hoffnungsvollen Frühlingstag passen, der sich schon fast nach Sommer anfühlte. Dara beschloss, das Thema zu wechseln, da klingelte Stanleys Handy.
»Hallo? … Ja, natürlich erinnere ich mich an Sie, Mrs. … Also gut, Irene, wenn Ihnen das lieber ist … Ja? … Tatsächlich?
Das tut mir leid zu hören. Obwohl es auch dafür eine logische Erklärung geben kann, wissen Sie … Nein, nein, das ist kein Problem. Wie wär’s mit Montag? Sagen wir, zehn Uhr? Gut, dann also bis Montag. Und machen Sie sich nicht zu viele Gedanken, vielleicht ist ja alles ganz anders, als Sie denken … Bye.«
Als Stanley auflegte, wirkte er bekümmert, als wäre er sicher, dass es keine logische Erklärung gab und dass es sich mit dem Problem, über das sich Irene keine Gedanken machen sollte, genau so verhielt, wie sie dachte.
»Entschuldigen Sie.« Er fegte sich die Teigkrümel von der Hose. »Das war eine Klientin von mir.«
»Sie klang besorgt«, stellte Dara fest. »Nicht dass ich lauschen wollte oder so, aber …«
»Sie war besorgt. Sie glaubt, dass ihr Mann sie betrügt.«
»Und, glauben Sie das auch?«, fragte Dara und schauderte, weil sich eine Wolke vor die Sonne geschoben hatte.
»Keine Ahnung.« Stanley bückte sich und tätschelte Clouseau. »Aber meiner Erfahrung nach liegen die Leute meistens richtig, wenn sie einen Verdacht hegen. Jedenfalls in solchen Angelegenheiten.«
Plötzlich tat er Dara leid. Er war von Berufs wegen gezwungen, in den Kellern anderer Leute zu stöbern, bis er auf irgendwelche Leichen stieß. Leichen, von denen nie jemand erfahren sollte, wenn es nach den betreffenden Menschen ginge.
26
Stanley wünschte, Mrs. Harte – Irene – hätte nicht angerufen. Das Telefonat mit ihr und die darauffolgende Unterhaltung mit Dara hatte ihrer bislang so unbeschwerten Laune ein jähes Ende bereitet. Vor dem Anruf war es ihm fast so vorgekommen als … nun, als würden sie einen Ausflug machen. Er hatte eine Art freudige Erregung empfunden – nein, das traf es nicht ganz, aber es ging in die richtige Richtung. Es war ein gelassener Optimismus, dass es vielleicht nicht so ein Flop werden würde, wie er prophezeit hatte. Es mochte am milden Wetter liegen und daran, dass die Frühlingssonne sämtliche Wettervorhersagen, die er morgens gehört hatte, lachend Lügen strafte. Oder an Daras süßer, hoher Singstimme, die er deutlich hören konnte, obwohl sie versuchte, sie hinter Clouseaus hartnäckigem Geheul zu verstecken. Dara Flood hatte etwas an sich, das in Stanley Flinter den Drang weckte, die Reise nach Rom zu Declans Hochzeit zu verdrängen. Die letzte Reise mit Cora, bevor … bevor er die Treppe zu den Geräuschen im Schlafzimmer erklommen und aus Gründen, die ihm bis heute schleierhaft waren, die Tür
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