Wenn ich dich gefunden habe
weiteren Details über Fintan den Tänzer herausrücken würde.
»Wer?«, fragte Dara.
»Na, Stanley Flinter, wer sonst?«, sagte Tintin, der auf Anyas Drehstuhl thronte, die Füße auf dem Schreibtisch. »Er war ja richtig aktiv. Scheint sich ziemlich Mühe zu geben, nicht?«
»Und ich werde ihn dafür bezahlen«, sagte Dara. Sie durfte nicht vergessen, Stanley anzurufen und ihn noch einmal an die Rechnung zu erinnern. Bislang waren ihre € 412,37 noch unangetastet. Blieb nur zu hoffen, dass sie ausreichen würden. »Er tut nur seine Arbeit.« Sie ging zur Tür und maß Tintin mit einem vielsagenden Blick über die Schulter. »Du solltest dir ein Beispiel an ihm nehmen.«
»Ich hab’s versucht, aber das war nichts für mich«, winkte er ab.
»Wenn du mir beim Füttern hilfst, bekommst du nachher vielleicht was von dem Cottage Pie, den ich mitgebracht habe. Es ist genug für alle da.«
»Sind da Erbsen drin?«
»Natürlich nicht.« Tintin aß fast alles – außer Hülsenfrüchten. Er mochte nur Früchtchen, die auf seine Avancen hin die Hülsen fallen ließen, sagte er.
Tintin sprang auf. Er liebte Daras erbsenlosen Fleischauflauf, und da war er nicht der Einzige hier.
»Was hat der Schnüffler denn als Nächstes vor?«, fragte er, während sie sich auf den Weg zu den Zwingern machten.
»Angeblich führt eine Spur nach Paris, aber ich mache mir ehrlich gesagt nicht viele Hoffnungen.«
»Du überraschst mich, Dara.« Tintin schlang ihr einen seiner langen, dünnen Arme um den Hals.
Sie blieb stehen und sah ihn an. »Was sage ich nur zu Mam?«
»Erzähl es ihr einfach«, riet ihr Tintin sanft. »Dann weiß
sie wenigstens, dass er sie nicht wegen einer anderen verlassen hat. Oder weil er sie nicht geliebt hat.«
»Naja, er hat sie nicht geliebt«, stellte Dara fest.
»Hat er doch«, widersprach Tintin und schnappte sich den Beutel mit dem Hundefutter. »Aber eben nicht genug.«
Das kam Dara irgendwie noch schlimmer vor. Sie setzte ihren Weg fort.
»Wie geht es Angel?«, erkundigte sich Tintin wie jeden Tag.
Dara zuckte die Achseln. »Immer gleich.« Sie hatte weder ihm noch sonst jemandem erzählt, was Angel gesagt hatte, und auch nicht, dass sie dreimal die Tür zugeknallt hatte.
Tintin drückte sie an sich. »Du tust, was du kannst«, versicherte er ihr. Dara nickte. Sie wusste nicht, ob es den Tatsachen entsprach, aber selbst wenn, dann kam es ihr ein bisschen so vor, wie Tintin soeben die Liebe ihres Vaters zu ihrer Mutter beschrieben hatte: Es war einfach nicht genug.
33
Mrs. Flood und Dara waren unten im Wohnzimmer, Angel oben in ihrem Zimmer. Durch die dünnen Wände des Hauses hörte Dara die melancholischen Klänge des Songs Mad World von Tears For Fears, und sie verspürte plötzlich den Drang hinaufzustürmen, Angels iPod samt der Dockingstation aus dem Fenster in den Vorgarten zu werfen und dann dort darauf herumzutrampeln, nur für alle Fälle. Doch sie blieb in ihrem Lehnsessel sitzen und versuchte ihr Buch zu lesen. Normalerweise las sie in ihrem Zimmer, aber da sich Angel so rar machte, wollte sie ihre Mutter nicht immer allein lassen. Außerdem wollte sie mit Mrs. Flood reden. Sie hatte es Tintin versprochen.
Mrs. Flood saß im anderen Lehnsessel und sah fern, besser gesagt, sie zappte durch die Kanäle. Sie wirkte unruhig, war mehrere Male zwischen Küche und Wohnzimmer hin und her gegangen, seit sie nach Hause gekommen war, hatte da ein Bild, dort einen Ziergegenstand gerade gerückt. Sie suchte Streit. Dara erkannte die Anzeichen.
»Über die wäre ich im Flur fast drübergestolpert«, hatte sie vorhin gesagt und Dara ihre Doc Martens unter die Nase gehalten.
»Ich räume sie weg.« Dara war sofort aufgesprungen und hatte sie nach oben gebracht.
Angel hatte auf ihrem Zimmer gegessen, sodass Dara und Mrs. Flood allein in der Küche gewesen waren. Dara
hatte Pfannengemüse gemacht, und die Pfanne hatte wie ein Schiedsrichter zwischen ihnen auf dem Küchentisch gestanden.
»Was ist das?«, hatte Mrs. Flood gefragt und mit der Gabel auf etwas in ihrem Essen gezeigt.
»Eine Wasserkastanie«, hatte Dara geantwortet.
»Schmeckt nach nichts«, hatte Mrs. Flood gekränkt behauptet und in dem Häufchen Gemüse gestochert wie in einem Müllberg, bis sie sämtliche Wasserkastanien am Tellerrand aufgereiht hatte. Das sollte wohl eine Art Protestaktion sein.
»Guck, da ist ein Röschen Brokkoli«, hatte Dara gesagt. »Und Karottenstifte. Karotten magst du doch.«
Sie fragte
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